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Channel: RAINER MARIA RILKE . 1875-1926
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Der Abend ist mein Buch

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August Macke, Elisabeth am Schreibtisch. 1909
Der Abend ist mein Buch

Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
die Deckel purpurn in Damast;
ich löse seine goldnen Spangen
mit kühlen Händen, ohne Hast.

Und lese seine erste Seite,
beglückt durch den vertrauten Ton, -
und lese leiser seine zweite,
und seine dritte träum ich schon.


Rainer Maria Rilke
20.11.1897, Berlin-Wilmersdorf

Elisabet Macke

August Macke, Frau Macke (Elisabeth) mit Hut.












Geo ::.

Das ist mein Streit

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Jan Toorop, Studenten in Brüssel
Das ist mein Streit:
Sehnsuchtgeweiht
durch alle Tage schweifen.
Dann, stark und breit,
mit tausend Wurzelstreifen
tief in das Leben greifen -
und durch das Leid
weit aus dem Leben reifen,
weit aus der Zeit!

Rainer Maria Rilke

Mit Rilke durch das Jahr....

Geo ::.

Ein Frühlingswind

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Santa Fe Hills von Leon Kroll, 1917
Ein Frühlingswind

Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden -: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.

Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.

.... Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus

Rainer Maria Rilke

Aus verstreute und nachgelassene Gedichte,
vermutlich   im Capreser Winter 1906/07 entstanden.


Mit Rilke durch das Jahr - Rainer Maria Rilke


Geo ::.

Rainer Maria Rilke, Frühling in Versailles

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Aus einem Brief an Mathilde Vollmöller vom 25.4. 1911.

Paris:  Das Schloss Versailles, Außenansicht, Blick von Südwesten

....  Wahrscheinlich wars der große Wechsel von Luft und Um-
gebung, jetzt geht es viel besser, auch nimmt sich alles
schon zu so fortgeschrittenen Tagen zusammen, 
die Bäume kommen hoch, rasch, rasch, 
beinah wie Milch im Aufkochen, man wagt kaum wegzugehen. 
Vorgestern war ich in Versailles den ganzen Tag, 

(übrigens mit dem endlichen kleinen Buch Gebsattels*, 
das ich Ihnen kommen lasse -),

mir kommt vor, als hätte die Welt lange keinen Frühling
so stark aus sich herausgetrieben, die Athmung all dieses
Grüns macht die Luft doppelt.  ....

Rainer Maria Rilke, Mathilde Vollmoeller Briefwechsel (25. 4.1911).

Mathilde Vollmoeller

Mathilde Vollmoeller-Purrmann 
* 18. Oktober 1876 in Stuttgart, † 17. Juli 1943 in München, war eine deutsche Malerin
und Schülerin von Henri Matisse.

.... Gebsattel*
Viktor (Victor) Emil Klemens Franz Freiherr von Gebsattel 
* 4. Februar 1883 in München; † 22. März 1976 in Bamberg, war Humanmediziner, Psychiater, Psychotherapeut, Wissenschaftspublizist, Philosoph und Schriftsteller. 

Er gilt als Pionier einer anthropologischen Medizin, Psychotherapie und Psychologie.

Im Anschluss war Gebsattel zunächst Schriftsteller und Übersetzer. Zahlreiche Reisen, insbesondere die nach Frankreich, führten zu Bekanntschaften mit Künstlern wie Henri Matisse, Auguste Rodin oder Rainer Maria Rilke (mit dem er später eng befreundet war). 
Er war auf Dauer den Künsten verbunden und verfasste selbst auch Lyrik und Prosa.

Mit Rilke durch das Jahr, Rainer Maria Rilke.
Geo ::.

Paris im Frühling ....

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Vincent van Gogh, an den Ufern der Seine mit dem Pont de Clichy im Frühling.
....
Sie kennen ja Paris um diese Zeit und wissen, daß man hier 
nicht um den Frühling kommt. 

Diese Stadt, die alles für sich zu nutzen weiß, läßt ihn ganz herein, spielt mit ihm, spiegelt 
ihn in die Himmel zurück mit dem Aufgehen ihrer Fenster. 

In welcher Stadt sonst kann man jenem Wind begegnen, der heute morgen 
"im Luxembourg-Garten war". 

Muß ich sagen welcher? Ach, der Wind, der einem das Herz abnimmt, so 
daß man es auf einmal nicht selber tragen muß: 
er trägt es vor einem her, weiß Gott wohin. Auf den griechischen Inseln 
muß er stärker gewesen sein, größer, gefährlicher, hinreißender. 

Hier hat er etwas vom achtzehnten Jahrhundert behalten, 
etwas watteauhaftes; als ginge er nicht über die letzten großen Bäume hinaus, 
als wäre er in den Parken, wie in einem Bild: 
als wären diese Parke alles und der Himmel ein überfluß, ein Geschenk, 
eine Verschwendung über alles hinaus. ....

Rainer Maria Rilke

Aus einem Brief an Sidonie von Nadherny, 
30.5.1908 

Sidonie von Nadherny
Sidonie Nádherná von Borutín, ab 1898 Freiin Nádherná von Borutín 
* 1. Dezember 1885 in Vrchotovy Janovice, † 30. September 1950 in Harefield, London,
[auch: Sidi [von] Nádherný, tschechisch Sidonie Nádherná z Borutína] 
war eine böhmische Baronin und Salonière.


Jardin du Luxembourg, Paris, Frankreich:

Jardin du Luxembourg
Mit Rilke durch das Jahr- Rainer Maria Rilke
1. Mai 2013.

Geo ::.

Das waren Tage Michelangelo's

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Das waren Tage Michelangelo's, 
von denen ich in fremden Büchern las. 
Das war der Mann, der über einem Maß, 
gigantengroß, 
die Unermesslichkeit vergaß. 

Das war der Mann, der immer wiederkehrt, 

wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert, 
da sie sich enden will, zusammenfasst. 
Da hebt noch einer ihre ganze Last 
und wirft sie in den Abgrund seiner Brust. 

Die vor ihm hatten Leid und Lust; 
er aber fühlt nur noch des Lebens Masse 
und dass er Alles wie ein Ding umfasse, - 
nur Gott bleibt über seinem Willen weit: 
da liebt er ihn mit seinem hohen Hasse 
für diese Unerreichbarkeit. 


Rainer Maria Rilke, 
26.9.1899, Berlin-Schmargendorf

Geo ::.

Das Rosen-Innere

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Alfred Seifert, Hypatia.

Das Rosen-Innere

Wo ist zu diesem Innen 
ein Außen? Auf welches Weh 
legt man solches Linnen ? 
Welche Himmel spiegeln sich drinnen 
in dem Binnensee 
dieser offenen Rosen, 
dieser sorglosen, sieh: 
wie sie lose im Losen 
liegen, als könnte nie 
eine zitternde Hand sie verschütten. 
Sie können sich selber kaum 
halten; viele ließen 
sich überfüllen und fließen 
über von Innenraum 
in die Tage, die immer 
voller und voller sich schließen, 
bis der ganze Sommer ein Zimmer 
wird, ein Zimmer in einem Traum. 


Rainer Maria Rilke
2.8.1907, Paris


Hinschwindende ganz leicht

Hinschwindende ganz leicht, eh sie vergehen,
zurückhalten mit ein wenig Wink,
aus Abschiednehmen und Nicht-wiedersehen
ein Ding zu machen, so, dass sich auf den Zehen
hinüberhebt um dem, was schon verging,
leis beizuwohnen (: Rosen und Ideen - )

Rainer Maria Rilke
 etwa 2.10.1913, München
"Puppen" (Aufsatz)- Die Puppen der Lotte Pritzel




Geo ::.

Begegnung in der Kastanien-Allee

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August Macke, Spaziergang im Park. 1914
Ihm ward des Eingangs grüne Dunkelheit
kühl wie ein Seidenmantel umgegeben
den er noch nahm und ordnete: als eben
am andern transparenten Ende, weit,

aus grüner Sonne, wie aus grünen Scheiben,
weiß eine einzelne Gestalt
aufleuchtete, um lange fern zu bleiben
und schließlich, von dem Lichterniedertreiben
bei jedem Schritte überwallt,
ein helles Wechseln auf sich herzutragen,
das scheu im Blond nach hinten lief.

Aber auf einmal war der Schatten tief,
und nahe Augen lagen aufgeschlagen
in einem neuen deutlichen Gesicht,
das wie in einem Bildnis verweilte
in dem Moment, da man sich wieder teilte:
erst war es immer, und dann war es nicht.

Rainer Maria Rilke, 
1875-1926




Geo ::.

Die weißen Häuser hin ein Überfließen

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Die weißen Häuser hin ein Überfließen,
ein Reichlichsein vorrätiger Natur,
und Bettler, in fortwährendem Entschließen,
sind der entsprungnen Güte auf der Spur.

Rainer Maria Rilke

Februar 1913, Ronda
Gedichte 1906 bis 1926.
Aus: Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte aus den mittleren und späten Jahren.


Rilke ....

Geo ::.

Wer verzichtet, jenen Gram zu kennen

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Der musizierende Engel ....
L’ange musicien 1892, von  Henri Pinta (1864–1901).
Wer verzichtet, jenen Gram zu kennen,
welcher schluchzend wie aus Quellen quillt,
weiß auch nicht das Selige zu nennen:
es berührt ihn und entgeht ihm mild.

Wir nur, die wir ganz am Herzen lagen
der Verlorenen, die Gott gefällt,
werden wissen alles aus-zusagen,
wenn die Freude nicht mehr an sich hält.

Jedes Leere, jeder Zwischenraum
dunkler Stunden wird zum hohlen Kruge,
wird zur Muschel, dran die Fuge
dröhnen wird. Wir ahnen kaum,

wie wir uns nach unermessnem Rate
um zur Orgel bauen, horchend, leis,
für den Sturm der kommenden Kantate
und den Engel, der sie plötzlich weiß.

Rainer Maria Rilke

März und April 1913, Paris
Gedichte 1906 bis 1926.

Aus: Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte aus den mittleren und späten Jahren.


Geo ::.

Rilkes - Weitblick, vorausschauend auf künftige Entwicklungen ....

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Eines Tages -
 (wofür jetzt, zumal in den nordischen Ländern, 
    schon zuverlässige Zeichen sprechen und      leuchten), -

eines Tages wird das Mädchen da sein und die Frau, 
  deren Name nicht mehr nur einen Gegensatz zum Männlichen bedeuten wird, 
   sondern etwas für sich, 
    etwas, wobei man keine Ergänzung und Grenze denkt, 
      nur an Leben und Dasein -: -
der weibliche Mensch.


Aus: An Franz Xaver Kappus Rom, am 14. Mai 1904

.... Und vielleicht sind die Geschlechter verwandter, als man meint, und die große Erneuerung der Welt wird vielleicht darin bestehen, daß Mann und Mädchen sich, befreit von allen Irrgefühlen und Unlüsten, nicht als Gegensätze suchen, sondern als Geschwister und Nachbarn, und sich zusammentun als Menschen, um einfach, ernst und geduldig das schwere Geschlecht, das ihnen auferlegt ist, gemeinsam zu tragen.


Rainer Maria Rilke

"Jeder Mensch ist natürlich einzigartig!"


Chroniknet - 1904
        .... Chroniknet eine interessante Seite

Mit Rilke durch das Jahr

Geo ::.

Rilke-Treffen in Freiburg - Die Sonette an Orpheus: Call for Papers

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Rilke-Treffen in Freiburg - Die Sonette an Orpheus: Call for Papers: Nachwuchspanel-

“Die Sonette an Orpheus”
 Die Internationale Rilke-Gesellschaft lädt NachwuchswissenschaftlerInnen zur Einreichung von ....

Das “Rilke-Treffen” der Internationalen Rilke-Gesellschaft vom 20. bis 23. September 2013 in Freiburg im Breisgau stellt Rilkes Gedichtzyklus “Die Sonette an Orpheus” in den Mittelpunkt des Interesses und beabsichtigt somit, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Werk weiter voranzutreiben.

Link zum Blog

Link zu Facebook - Internationale Rilkegesellschaft Schweiz

Rainer Maria Rilke

Geo ::.

Verständigt mit abnehmender Natur ....

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John La Farge, Moonlight Seascape
Verständigt mit abnehmender Natur,
fällt mir die Kraft in dem, was ich erfuhr.
Den Engel stellt Gott vor wie eine Uhr,
er mag im Herbst künftigen Herbst empfinden.
Wir aber schlürfen mit den Winden
und ziehen Spur und wischen Spur.

Das Meer blüht nie.       Jetzt wieder wächst das Meer
und kommt sich von den Rändern stark entgegen,
und Christus, auf dem Überfluss von Wegen,
geht einzig gläubig drüber hin und her.

Der Himmel singt in seiner Sicherheit,
hoch über Zeit die reichen Sterne singen,
wir treiben mit den abgehärmten Dingen
zwieschweigende Geselligkeit.

In trüben Spiegeln suchen wir Beweis
für unser Aufstehn, während unbewiesen
der Schlaf zurückbleibt.       Vielleicht Schlaf von Riesen
von unsrem ganzen Blute heiß.

Doch eingeschränkt in morgengraue Zimmer
gewöhnen wir uns an des Tages Gang
und nehmen Nahrung an und wohnen immer
die gleiche Einsamkeit entlang.
Und haben Hoffnung und Verwunderung
und dies zur Sorge, jenes zum Gewissen -
nur der uns einstens dringend hingerissen
der Schwung, der Schwung:
Ihr Engel, jener, der euch täglich reißt
.... .... .... 

Rainer Maria Rilke 

Herbst 1913, ?
Gedichte 1906 bis 1926.

Aus: Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte 
aus den mittleren und späten Jahren.

Künstler: John LaFarge 
March 31, 1835 – November 14, 1910, 
was an American painter, muralist, stained glass window maker, decorator, and writer. [W]

Mit Rilke durch das Jahr

Geo ::.

Aber der Abend wird schwer

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JoRobert Cozens, engl.Maler, im Wald bei Cascine dem Park von Florenz.

Aber der Abend wird schwer:
Alle gleichen verwaisten
Kindern jetzt; die meisten
kennen einander nicht mehr.
Gehn wie in fremdem Land
langsam am Häuserrand,
lauschen in jeden Garten, -
wissen kaum, dass sie warten,
bis das Eine geschieht:
Unsichtbare Hände heben
aus einem fremden Leben
leise das eigene Lied.

Rainer Maria Rilke 
1898, Florenz



Geo ::.

Jardin de Plantes, Paris

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Zoologischer Garten.
Die Flamingos

Jardin de Plantes, Paris

In Spiegelbildern wie von Fragonard
ist doch von ihrem Weiß und ihrer Röte
nicht mehr gegeben, als dir einer böte,
wenn er von seiner Freundin sagt: sie war

noch sanft von Schlaf. Denn steigen sie ins Grüne
und stehn, auf rosa Stielen leicht gedreht,
beisammen, blühend, wie in einem Beet,
verführen sie verführender als Phryne

sich selber; bis sie ihres Auges Bleiche
hinhalsend bergen in der eignen Weiche,
in welcher Schwarz und Fruchtrot sich versteckt.

Auf einmal kreischt ein Neid durch die Volière;
sie aber haben sich erstaunt gestreckt
und schreiten einzeln ins Imaginäre.


Rainer Maria Rilke 

Herbst 1907, Paris, 
oder Frühling 1908, Capri.
  
Jardin des Plantes
Die Ménagerie du Jardin des Plante
ist ein 1793 gegründeter zoologischer Garten an der Rive Gauche (linkes Ufer) der Seine im Osten von Paris (5e arrondissement). 

Die Anlage ist der älteste wissenschaftlich geleitete Zoo der Welt. 

Sie ist Teil des Jardin des Plantes genannten Botanischen Gartens, der 1626 von Jean Herouard und Guy de La Brosse, den Leibärzten König Ludwigs XIII. alsKöniglicher Heilkräutergarten auf einem ursprünglich 23,5 Hektar großen Gelände angelegt und 1635 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. 

Sowohl der Zoo als auch der Botanische Garten, von dem ersterer etwa ein Drittel der Fläche einnimmt, sind seit der Gründung des Muséum national d’histoire naturelle (1793) Bestandteil dieses renommierten staatlichen Forschungs- und Bildungsinstitutes für Naturwissenschaften.

Google Maps : Jardin des Plantes, 75005 Paris. 

Rainer Maria Rilke-Mit Rilke durch das Jahr.

Kleine Blogpause, Grüße an alle Freunde und Leser, bis bald.

Geo ::.

Eine alte Geschichte....

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Vincent van Gogh, gekröpfte Trauerweide, aus den Brief Skizzen.

Eine alte Geschichte.

Eine alte Weide trauert
Dürr und fühllos in den Mai,
Eine alte Hütte kauert
Grau und einsam hart dabei.

War ein Nest einst in der Weide,
In der Hütt’ ein Glück zuhaus, —
Winter kam und Weh, und beide —
Blieben aus . . . .

Rainer Maria Rilke

Aus der Sammlung Wegwarten.


Geo ::.

Hinübertreten in die Welt die monden ist ....

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Camille Pissarro, Paris. Place du Theatre Francais 1898
Siehe untenstehender Text*
Der genaue Zeitpunkt des Vollmonds heute war:Samstag 25. Mai 2013 06:24:54 Uhr; Mitteleuropäische Sommerzeit. 

Mondstand im  Februar 1909:  
Freitag, 5. Februar 1909, 09:24:30 Uhr war Vollmond.
Rainer Maria Rilke wohnte damals in 17 Rue Champagne Premiere
in dem von Mathilde Vollmoeller übernommenen Atelier.

Was geschah noch am 7· FEBRUAR: 
Rainer Maria Rilke sendet Sidie Nädherny ein Mondgedicht, an diesem Abend auf seiner Terrasse entstanden: 

" .... da ging dann, unendlich viel feierlicher als ich's zu versichern weiß, 
as Unverhältnismäßige vor sich, das ich für Sie in einen Gedicht-Anfang 
eingeschlossen habe, während ich draußen auf und nieder ging. 
Hier ist er. -Vergiß, vergiß und laß uns jetzt nur dies / erleben ...." 

Anmerkung G: siehe Gedichttext oben.

Bilder:  Mathilde Vollmoeller (L) und  Sidie Nädherny (R).

Mathilde Vollmoeller u. Sidonie Nádhernie
☻ 
Geo ::.

Wie junge Wiesen ....

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Hans Thoma, Sommer, anagoria. 1872

Wie junge Wiesen, blumig, einen Abhang
durch einen leichten Überzug von Wachstum
teilnehmend machen am Gefühl des Jahres,
windwissend, fühlend, milde, beinah glücklich
über des Bergs gefährlich-schräger Bildung:
so ruht Gesicht, hinblühend, mildvergänglich
auf dieses Schädels Vorderflächen, die,
absteigend, wie mit eines Weinbergs Neigung,
zum All sich halten, Strahlendem gegenüber.

Wie die Eichel in ihrem Becher, so ruhte diesem becherig fassenden Haupte von oben die Krone ein: es war ein Teil von ihr, sie bildeten zusammen ein einziges Stück Herrschaft, die Frucht des König die der Himmel zur Süße brachte. (Ein so leicht auf seinen Kern gelegtes Gesicht, kaum mehr als die Einteilung des Gnomons auf schwerem(?) schrägem Stein. Gesicht, lautlos abfließend, oh Weinberg, von der Schräge des Skeletts, breite ganz niedere Stirn, über deren ersten Streifen schon die Krone Besitz ergreift; flügeliges Abstehen der geistig-feinen Ohren. Der Bacchos eines inneren Weines. Gesicht, dessen konstruktive Bedingungen mit seiner Verwendung übereinstimmten, so dass sie aus sich selbst, ohne Zutat, zum reinsten Ausdruck wurden. Ausdrücklichkeit des Mundes. Oberlippe über der unteren, wie die Göttin, die den Himmel abhebt, von der Erde sich wegbiegend. Aufruhen ihres reinen Schwunges auf der vorgeschobenen Fülle der unteren Lippe. Leichtes Eingezeichnetsein der oberen Züge, des flachen Auges, der groß tragenden Augenbogen, gegen das Ausgeführtsein im Munde; die Nase giebt den Übergang mit ihren rein sinnlich auseinander gestellten Flügeln.) (Vorläufig)

Rainer Maria Rilke

30.7.1913, ...?
Gedichte 1906 bis 1926.
Aus: Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte 
aus den mittleren und späten Jahren.



Geo ::.

Zu "Wie junge Wiesen...." oder ein kleiner Einblick in Rilke's Leben und Schaffen -

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Wie junge Wiesen ....
Das Gedicht das Rainer Maria Rilke  angeblich am 30.07.1913 schrieb.
Ein kleiner Rück und Einblick in das Leben des Dichters Rainer Maria Rilke.

Zeitleiste:

26. JULI: Rilke dankt Hedwig Bernhard für eine Sendung Photographien :
"die kleinen Bilder, die Du nahmst von mir scheinen zum Theil vortrefflich;
Dr. Kippenberg war hingerissen ... " [ Kippenberg's ]
Rilke schreibt für sie **Franz Werfels Gedicht ,Vater und  Sohn "aus" "Wir sind" ab.
[Franz Werfel zur Seite 25 wechseln ab hier findet man die Gedichte : Wir sind. ]

27. JULI: " .... durch Berlin reisend, sah ich Sonntag den neugefundenen "Amenophis-Kopf" :
[ siehe Deutsche Digitale Bibliothek und Bildindex ] ein Wunder."
So am 1.8.13 an Lou Andreas Salome, und an die Fürstin:
" .... schrieb ich Ihnen, wie ich, durchreisend in Berlin, den dortigen Amenophis IV. sah ?"
Von diesem und Werfels Gedichten sagt Rillke: das sind die beiden Centren meiner etwas wehmüthig langgezonen geistigen Ellypse."

vom 28. JULI BIS 16. AUGUST ist Rilke in Heiligendamm an der Ostsee,
wo er Nostitzens trifft. [ Helene von Nostitz und ihr Eehemann Alfred von Nostitz |Nostitz Adelsgeschlecht ]
Rilke spricht von seinem  -heftigen Bedürfnis nach Seewind-  der Fürstin gegenüber.
Über sein Zusammensein mit Lou Andreas Salome schreibt er ihr:
"Ich weiß  .... niemanden, der so das Leben auf seiner Seite hätte, im Sanftesten wie im Furchtbarsten die eine Kraft erkennend, die sich verstellt, die aber immer, selbst wo sie tötet noch, gebend sein will .... "

Schließlich fragt Rilke, wo er eine Planchette bekommen könne:
"Mich drängts zur Unbekannten." Diese Unbekannte hatte in den Seancen in Duino gesprochen und ihn nach Toledo gewiesen. [ Rilke - die Fürstin Marie von Thurn und Taxis, bei Zeit.de und ein Buch über beide hier]

1.AUGUST: An Lou Andreas Salome
"Nostitz'ens hab ich noch hier vogefunden, auch, worauf ich nicht rechnete, die Mutter von
Frau von Nostitz, eine Tochter des einstigen Pariser Botschafters Fürsten Münster, die durch ihre schöne Stimme bekannt war und auch jetzt noch, als alte Dame, kaum etwas davon eingebüßt hat
 .... sie singt mir fast jeden Nachmittag Beethoven und alte Italiener."
Rilke verspricht: "Sowie Nostriz'ens fort sind, mach ich die Abschriften für Dich", der ersten Elegien.
Rilke rühmt Heiligendamm: "sympathisch durch seinen Wald am Meer".
Man unternimmt eine gemeinsame Wagenfahrt nach Rostock, Stadt und Dom werden besichtigt.
Am 6. 8. reisen die Freunde ab.

In der ERSTEN AUGUSTHÄLFTE entsteht in Heiligendamm das Gedicht
"Hinter den schuldlosen Bäumen .... ", das ungedruckt bleibt.

7. AUGUST: Von einer Sendung an Lou Andreas Salome ist nur der Umschlag erhalten,
in dem Rilke ihr vermutlich Abschriften auch der ersten "Elegien" schickt.

8. AUGUST: " .... den Rest der Zeit bin ich am Meer, zwischendurch lese ich höchstens noch Tolstoi,
den Briefwechsel mit seiner Cousine, der Gräfin Alexandrine, von dem ich dir gesprochen habe.
Du mußt auch eines Tages diese Briefe lesen, die reinen Kräfte seines ununterdrückbar schöpferischen Fühlens wehen in diesen Blättern, als könnte man sie athmen .... "
(an *Hedwig Bernhard). Der Band ist soeben bei Georg Müller in München erschienen.
An Katharina Kippenberg: "Was mich sonst am meisten, fast täglich, beschäftigt, ist, seit den Leipziger Tagen, jener junge ich kann nicht weniger sagen: große Dichter, **Franz Werfel
[siehe untern** und Wikipedia zu Franz Werfel ] den ich mir dort entdeckte und der mich immer tiefer ergreift .... "
Rilke hat das Buch, das bei Kurt Wolff erscheint, auf einem Tisch im Insel-Verlag gefunden.

10. AUGUST: Die Fürstin wird sich für Rilke in England um eine Planchette bemühen.

11. AUGUST: Rilke schreibt an Fürstin Mechtilde Lichnowsk deren Buch
"Götter, Könige und Tiere in Ägypten" 1912. '"
das im Kurt Wolff Verlag erschienen ist, von seiner Begegnung mit Steindorff: "
.... dann kam aus einem unscheinbaren  Packet plötzlich der Gipsabguß des Berliner Amenophis gar
nicht erst zum Vorschein, sondern sofort zur Erscheinung Fürstin, zwei Tage später stand ich im Museum in Berlin vor dem Urding, und dies, vor allem ists, was ich Ihnen zu berichten habe,
herschreibend, (so ists am Unmittelbarsten) was ich dort, schauend, in mein Taschenbuch schrieb.
Vielleicht  kann Ihnen das herrliche Wesen vorübergehend heraufrufen:

Wie junge Wiesen, blumig, einen Abhang .... "
Der Gedichtentwurf (hier als Prosa geschrieben), mündet in den
Text: "Und, wie die Eichel in ihrem Becher .... " Mein Post "Wie junge Wiesen"

[   ] In eckigen Klammern Anmerkungen G.

* 1913 begegnete er während seiner Kur in Bad Rippoldsau der Schauspielerin Hedwig Bernhard, mit der er einen Ausflug nach Freudenstadt unternahm. Gemeinsam teilten sie sich die Lektüre von Werken Goethes, Tolstois, Kellers, Meyers, Hebbels und Selma Lagerlöfs. [ http://kar.kent.ac.uk/30293/ ]

** Werfel, Franz: Wir sind - Erscheinungsjahr: 1913
Veröffentlicht: Österreich; Verfasser: Werfel , Franz
Deutscher Titel: Wir sind; Genre: Neue Gedichte
Der Prager Lyriker, Dramatiker und Erzähler Franz Werfel (* 1890, † 1945) veröffentlicht im Verlag
Kurt Wolff in Leipzig seinen zweiten Gedichtband unter dem Titel »Wir sind«.
Werfel setzt sich in seinem Werk aus einer tiefreligiösen Grundhaltung für ein von gegenseitigem Verstehen getragenes Miteinander der Menschen ein. In »Wir sind« gibt er noch einmal dem Glücksgefühl über das Geschenk der menschlichen Existenz Ausdruck, das schon seinen ersten Gedichtband »Der Weltfreund« (1911) beherrschte, doch zeigen sich hier schon die expressive Auflösung der Form und die Konfliktstoffe, die Franz Werfels späteres Schaffen auszeichnen.

Rainer Maria Rilke  (1875-1926)

Geo ::.

Es ist ja Frühling. Und der Garten glänzt ....

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Hans Am Ende,  [Deutsch,1864-1918.] "Frühlingstag", um 1897/98.
Es ist ja Frühling. Und der Garten glänzt
vor lauter Licht.
Die Zweige zittern zwar
in tiefer Luft, die Stille selber spricht,
und unser Garten ist wie ein Altar.

Der Abend atmet wie ein Angesicht,
und seine Lieblingswinde liegen dicht
wie deine Hände mir im Haar:
ich bin bekränzt.

Du aber siehst es nicht.
Und da sind alle Feste nichtmehr wahr.

Rainer Maria Rilke
Aus der Sammlung Dir zur Feier.

Rainer Maria Rilke  (1875-1926)

Geo ::.
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