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Channel: RAINER MARIA RILKE . 1875-1926
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Rainer Maria Rilke





WILHELM VON KAULBACH
1805 bis 1874
Wilhelm Von Kaulbach-Schutzengel




Seine Hände blieben wie blinde Vögel

Seine Hände blieben wie blinde
Vögel, die, um Sonne betrogen,
wenn die andern über die Wogen
zu den währenden Lenzen zogen,
in der leeren, entlaubten Linde
wehren müssen dem Winterwinde.

Auf seinen Wangen war die Scham
der Bräute, die über der Seele Schrecken
dunkle Purpurdecken
breiten dem Bräutigam.

Und in den Augen lag
Glanz von dem ersten Tag, -
aber weit über allem war
ragend das tragende Flügelpaar...


Rainer Maria Rilke 

6.2.1898, Berlin





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Rainer Maria Rilke






Correggio, Madonna di San Sebastiano.



Um die vielen Madonnen sind viele ewige Engelknaben

Um die vielen Madonnen sind
viele ewige Engelknaben,
die Verheißung und Heimat haben
in dem Garten, wo Gott beginnt.
Und sie ragen alle nach Rang,
und sie tragen die goldenen Geigen,
und die Schönsten dürfen nie schweigen:
ihre Seelen sind aus Gesang.
Immer wieder müssen sie
klingen alle die dunklen Chorale,
die sie klangen vieltausend Male:
Gott stieg nieder aus Seinem Strahle
und du warst die schönste Schale
Seiner Sehnsucht, Madonna Marie.

Aber oft in der Dämmerung
wird die Mutter müder und müder,-
und dann flüstern die Engelbrüder,
und sie jubeln sie wieder jung.
Und sie winken mit den weißen
Flügeln festlich im Hallenhofe,
und sie heben aus den heißen
Herzen höher die eine Strophe:
Alle, die in Schönheit gehn,
werden in Schönheit auferstehn.


Rainer Maria Rilke

27.4.1898, Florenz









*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Rainer Maria Rilke




Ernst Barlach, schwebender Engel, 1927 /1942 Köln


Gebet

Ernster Engel aus Ebenholz:
Du riesige Ruh.
Dein Schweigen schmolz
noch nie in den Bränden
von Büßerhänden.
Flammenumflehter!
Deine Beter
sind stolz:
wie du.

Der du versteinst,
du über den Blicken beginnender
König, erkiese
dir ein Geschlecht,
dem du gerecht
erscheinst,
saumsinnender
Riese.

Du, aller Matten
Furchteinflößer,
Einer ist größer
als du: dein Schatten.


Rainer Maria Rilke

Sommer/Herbst 1898, ??





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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" Denn das Wort muss Mensch werden. Das ist das Geheimnis der Welt! "

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Rainer Maria Rilke



Ein Rilke Zitat das man öfter lesen kann:


Denn das Wort muss Mensch werden. Das ist das Geheimnis der Welt!

Dieses Zitat von Rainer Maria Rilke stammt aus einem Brief *
an seine Ehefrau Clara Rilke vom 24. Juli 1904, geschrieben aus Kopenhagen nach einen erschöpfenden Gespräch mit  dem Maler Ernst Nordlind,
.... " Im Grunde muss man sich vor seinen besten Worten zuschließen und in die Einsamkeit gehen. Denn das Wort muss Mensch werden. Das ist das Geheimnis der Welt!"

((Anmerkung: Vielleicht dachte Rilke ja hierbei an die Worte aus dem Evangelium des Johannes,aber das ist eine Mutmaßung - Das Wort muss Mensch werden - also Jesus Christus. Das steht natürlich nicht im Text des Briefes.))

[ * Verzeichnet in: Chronologische Konkordanz zu Rainer Maria Rilkes gedruckter Korrespondenz
Zusammengestellt von Ferenc Szász (Budapest) 26. Mai 2006;
Aktualisiert und erweitert von Rätus Luck (Bern) 2010;
Fortgeführt von Peter Oberthür. Ausgabe 2013 (mit Stand vom 10. September 2013) ]
Mit einem Link zur Internationalen Rilke Gesellschaft und zum Verzeichnis der Briefe.



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Rainer Maria Rilke




Gemälde von Francesco Botticini (15. Jahrhundert) zeigt die drei Hierarchien und die neun Ordnungen der Engel.




Die erste Elegie

Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel 
Ordnungen?[*1] und gesetzt selbst, es nähme 
einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem 
stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts 
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, 
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, 
uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich. 
      Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf 
dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen 
wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht, 
und die findigen Tiere merken es schon, 
dass wir nicht sehr verlässlich zu Haus sind 
in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht 
irgend ein Baum an dem Abhang, dass wir ihn täglich 
wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern 
und das verzogene Treusein einer Gewohnheit, 
der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht. 
      O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum 
uns am Angesicht zehrt -, wem bliebe sie nicht, die ersehnte, 
sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen 
mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter? 
Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los. 
      Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere 
zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht da die Vögel 
die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug. 

Ja, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche 
Sterne dir zu, dass du sie spürtest. Es hob 
sich eine Woge heran im Vergangenen, oder 
da du vorüberkamst am geöffneten Fenster, 
gab eine Geige sich hin. Das alles war Auftrag. 
Aber bewältigtest du's? Warst du nicht immer 
noch von Erwartung zerstreut, als kündigte alles 
eine Geliebte dir an? (Wo willst du sie bergen, 
da doch die großen fremden Gedanken bei dir 
aus und ein gehn und öfters bleiben bei Nacht.) 
Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange 
noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl. 
Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du 
so viel liebender fandst als die Gestillten. Beginn 
immer von neuem die nie zu erreichende Preisung; 
denk: es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm 
nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt. 
Aber die Liebenden nimmt die erschöpfte Natur 
in sich zurück, als wären nicht zweimal die Kräfte, 
dieses zu leisten. Hast du der Gaspara Stampa 
denn genügend gedacht, dass irgend ein Mädchen, 
dem der Geliebte entging, am gesteigerten Beispiel 
dieser Liebenden fühlt: dass ich würde wie sie? 
Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen 
fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, dass wir liebend 
uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn: 
wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im Absprung 
mehr zu sein als er selbst. Denn Bleiben ist nirgends. 


Stimmen, Stimmen. Höre, mein Herz, wie sonst nur 
Heilige hörten: dass sie der riesige Ruf 
aufhob vom Boden; sie aber knieten, 
Unmögliche, weiter und achtetens nicht: 
So waren sie hörend. Nicht, dass du Gottes ertrügest 
die Stimme, bei weitem. Aber das Wehende höre, 
die ununterbrochene Nachricht, die aus Stille sich bildet. 
Es rauscht jetzt von jenen jungen Toten zu dir. 
Wo immer du eintratest, redete nicht in Kirchen 
zu Rom und Neapel ruhig ihr Schicksal dich an? 
Oder es trug eine Inschrift sich erhaben dir auf, 
wie neulich die Tafel in Santa Maria Formosa. 
Was sie mir wollen? leise soll ich des Unrechts 
Anschein abtun, der ihrer Geister 
reine Bewegung manchmal ein wenig behindert. 


Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen, 
kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben, 
Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen 
nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben; 
das, was man war in unendlich ängstlichen Händen, 
nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen 
wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug. 
Seltsam, die Wünsche nicht weiterzuwünschen. Seltsam, 
alles, was sich bezog, so lose im Raume 
flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam 
und voller Nachholn, dass man allmählich ein wenig 
Ewigkeit spürt. - Aber Lebendige machen 
alle den Fehler, dass sie zu stark unterscheiden. 
Engel (sagt man) wüssten oft nicht, ob sie unter 
Lebenden gehn oder Toten. Die ewige Strömung 
reißt durch beide Bereiche alle Alter 
immer mit sich und übertönt sie in beiden. 


Schließlich brauchen sie uns nicht mehr, die Früheentrückten,
man entwöhnt sich des Irdischen sanft, wie man den Brüsten
milde der Mutter entwächst. Aber wir, die so große
Geheimnisse brauchen, denen aus Trauer so oft
seliger Fortschritt entspringt -: könnten wir sein ohne sie?
Ist die Sage umsonst, dass einst in der Klage um Linos
wagende erste Musik dürre Erstarrung durchdrang;
dass erst im erschrockenen Raum, dem ein beinah göttlicher Jüngling
plötzlich für immer enttrat, das Leere in jene
Schwingung geriet, die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft.

Rainer Maria Rilke

beendet am 21.1.1912, Duino


Familiengrab Westhoff

Grabstein Familiengrabstelle:
Johanna Westhoff, Christine Sieber-Rilke, Clara Rilke-Westhoff, Gisa Entz, Friedrich Westhoff, Johanne Westhoff, Ruth Fritzsche--Rilke, Willy Fritzsche, Helmuth Westhoff, Hellmut Müller-Celle.

[*1]  Grabspruch:  "Wer, wenn ich schrie, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen" . . . .
aus der 1. Duneser Elegie, von Rainer Maria Rilke, so lautet der Grabspruch am Familiengrab von der Familie Westhoff.





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Rainer Maria Rilke




Ludwig Rubelli von Sturmfest, Castello de Duino. 1883

Die zweite Elegie

Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir, 
ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele, 
wissend um euch. Wohin sind die Tage Tobiae, 
da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür, 
zur Reise ein wenig verkleidet und schon nicht mehr furchtbar; 
(Jüngling dem Jüngling, wie er neugierig hinaussah). 
Träte der Erzengel jetzt, der gefährliche, hinter den Sternen 
eines Schrittes nur nieder und herwärts: hochauf- 
schlagend erschlüg uns das eigene Herz. Wer seid ihr? 


Frühe Geglückte, ihr Verwöhnten der Schöpfung, 
Höhenzüge, morgenrötliche Grate 
aller Erschaffung, - Pollen der blühenden Gottheit, 
Gelenke des Lichtes, Gänge, Treppen, Throne, 
Räume aus Wesen, Schilde aus Wonne, Tumulte 
stürmisch entzückten Gefühls und plötzlich, einzeln, 
Spiegel: die die entströmte eigene Schönheit 
wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz. 


Denn wir, wo wir fühlen, verflüchtigen; ach wir 
atmen uns aus und dahin; von Holzglut zu Holzglut 
geben wir schwächern Geruch. Da sagt uns wohl einer: 
ja, du gehst mir ins Blut, dieses Zimmer, der Frühling 
füllt sich mit dir... Was hilfts, er kann uns nicht halten, 
wir schwinden in ihm und um ihn. Und jene, die schön sind, 
o wer hält sie zurück? Unaufhörlich steht Anschein 
auf in ihrem Gesicht und geht fort. Wie Tau von dem Frühgras 
hebt sich das Unsre von uns, wie die Hitze von einem 
heißen Gericht. O Lächeln, wohin? O Aufschaun: 
neue, warme, entgehende Welle des Herzens -; 
weh mir: wir sinds doch. Schmeckt denn der Weltraum, 
in den wir uns lösen, nach uns? Fangen die Engel 
wirklich nur Ihriges auf, ihnen Entströmtes, 
oder ist manchmal, wie aus Versehen, ein wenig 
unseres Wesens dabei? Sind wir in ihre 
Züge so viel nur gemischt wie das Vage in die Gesichter 
schwangerer Frauen? Sie merken es nicht in dem Wirbel 
ihrer Rückkehr zu sich. (Wie sollten sie's merken.) 


Liebende könnten, verstünden sie's, in der Nachtluft 
wunderlich reden. Denn es scheint, dass uns alles 
verheimlicht. Siehe, die Bäume sind; die Häuser, 
die wir bewohnen, bestehn noch. Wir nur 
ziehen allem vorbei wie ein luftiger Austausch. 
Und alles ist einig, uns zu verschweigen, halb als 
Schande vielleicht und halb als unsägliche Hoffnung. 


Liebende, euch, ihr in einander Genügten, 
frag ich nach uns. Ihr greift euch. Habt ihr Beweise? 
Seht, mir geschiehts, dass meine Hände einander 
inne werden oder dass mein gebrauchtes 
Gesicht in ihnen sich schont. Das giebt mir ein wenig 
Empfindung. Doch wer wagte darum schon zu sein
Ihr aber, die ihr im Entzücken des anderen 
zunehmt, bis er euch überwältigt 
anfleht: nicht mehr -; die ihr unter den Händen 
euch reichlicher werdet wie Traubenjahre; 
die ihr manchmal vergeht, nur weil der andre 
ganz überhand nimmt: euch frag ich nach uns. Ich weiß, 
ihr berührt euch so seelig, weil die Liebkosung verhält, 
weil die Stelle nicht schwindet, die ihr, Zärtliche, 
zudeckt; weil ihr darunter das reine 
Dauern verspürt. So versprecht ihr euch Ewigkeit fast 
von der Umarmung. Und doch, wenn ihr der ersten 
Blicke Schrecken besteht und die Sehnsucht am Fenster, 
und den ersten gemeinsamen Gang, ein Mal durch den Garten: 
Liebende, seid ihrs dann noch? Wenn ihr einer dem andern 
euch an den Mund hebt und ansetzt -: Getränk an Getränk: 
o wie entgeht dann der Trinkende seltsam der Handlung. 


Erstaunte euch nicht auf attischen Stelen die Vorsicht 
menschlicher Geste? war nicht Liebe und Abschied 
so leicht auf die Schultern gelegt, als wär es aus amderm 
Stoffe gemacht als bei uns? Gedenkt euch der Hände, 
wie sie drucklos beruhen, obwohl in den Torsen die Kraft steht. 
Diese Beherrschten wussten damit: so weit sind wirs, 
dieses ist unser, uns so zu berühren; stärker 
stemmen die Götter uns an. Doch dies ist Sache der Götter. 


Fänden auch wir ein reines, verhaltenes, schmales 
Menschliches, einen unseren Streifen Fruchtlands 
zwischen Strom und Gestein. Denn das eigene Herz übersteigt uns 
noch immer wie jene. Und wir können ihm nicht mehr 
nachschaun in Bilder, die es besänftigen, noch in 
göttliche Körper, in denen es größer sich mäßigt.


Rainer Maria Rilke

Februar 1912, Duino



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926


CASTELLO DUINO - DER MALER:
Ludwig Rubelli von Sturmfest
* Jänner 1842 in Zara, Dalmatien- K.u.K Österreich,

† 25. Jänner 1905 in Graz,
war ein österreichischer Marinemaler italienischer Abstammung.





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So, nun wird es doch der Engel sein

So, nun wird es doch der Engel sein,
der aus meinen Zügen langsam trinkt
der Gesichte aufgeklärten Wein.
Dürstender, wer hat dich hergewinkt?

Dass du dürstest. Dem der Katarakt
Gottes stürzt durch alle Adern. Dass
du noch dürstest. Überlass
dich dem Durst. (Wie hast du mich gepackt.)

Und ich fühle fließend, wie dein Schaun
trocken war, und bin zu deinem Blute
so geneigt, dass ich die Augenbraun
dir, die reinen, völlig überflute.

Rainer Maria Rilke



Ende 1913, Paris
Gedichte 1906 bis 1926.


Aus:Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte
aus den mittleren und späten Jahren.


*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Goldener Engel, von Teodor Axentowicz Zloty



Don Juans Auswahl

Und der Engel trat ihn an: Bereite 
dich mir ganz. Und da ist mein Gebot. 
Denn dass einer jene überschreite, 
die die Süßesten an ihrer Seite 
bitter machen, tut mir not. 
Zwar auch du kannst wenig besser lieben, 
(unterbrich mich nicht: du irrst), 
doch du glühest, und es steht geschrieben, 
dass du viele führen wirst 
zu der Einsamkeit, die diesen 
tiefen Eingang hat. Lass ein 
die, die ich dir zugewiesen, 
dass sie wachsend Heloïsen 
überstehn und überschrein. 


Rainer Maria Rilke

Mai,Juli und August 1908, Paris





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Wie der Abendwind

Wie der Abendwind durch geschulterte Sensen der Schnitter
geht der Engel lind durch die schuldlose Schneide der Leiden.

Hält sich stundenlang zur Seite dem finsteren Reiter,
hat den selben Gang wie die namenlosen Gefühle.

Steht am Turm am Meer, zu dauern unendlich gesonnen;
was du fühlst ist Er, im Innern der Härte geschmeidig,

dass im Notgestein die gedrängte Druse der Tränen,
lange wasserrein, sich entschlösse zu Amethysten.

Rainer Maria Rilke



Winter 1913/14, Paris
Insel-Almanach (1928)



*
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HEARTBLEED -Sicherheitslücke im OpenSSL- Passwort ändern !

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Rainer Maria Rilke


HEARTBLEED -Sicherheitslücke im OpenSSL- Passwort ändern !

Dienste bei denen das Passwort geändert werden sollte ! (Unbedingt)
sofern und nachdem diese die SSL Lücke selbst ausgebessert haben.
Die meisten "Großen" Betreiber haben dies getan, einfach mal selber im Check nachschauen!

Checken und etwas dagegen tun!



Mobilfunk Talk & Venturebeat Grafik :   lwg_heartbleed.jpg (3601×2034)


Weitere Infos bei Mobilfunk Talk
und bei Venturebeat


Für den Google Browser Cromebleed !

Infos bei  HEISE

Und der Webseitencheck bei:


Sicherheit vor Bequemlichkeit!


Und zur Entspannung etwas vom Rainer ....


Verständigt mit abnehmender Natur

Verständigt mit abnehmender Natur,
fällt mir die Kraft in dem, was ich erfuhr.
Den Engel stellt Gott vor wie eine Uhr,
er mag im Herbst künftigen Herbst empfinden.
Wir aber schlürfen mit den Winden
und ziehen Spur und wischen Spur.

Das Meer blüht nie.       Jetzt wieder wächst das Meer
und kommt sich von den Rändern stark entgegen,
und Christus, auf dem Überfluss von Wegen,
geht einzig gläubig drüber hin und her.

Der Himmel singt in seiner Sicherheit,
hoch über Zeit die reichen Sterne singen,
wir treiben mit den abgehärmten Dingen
zwieschweigende Geselligkeit.

In trüben Spiegeln suchen wir Beweis
für unser Aufstehn, während unbewiesen
der Schlaf zurückbleibt.       Vielleicht Schlaf von Riesen
von unsrem ganzen Blute heiß.

Doch eingeschränkt in morgengraue Zimmer
gewöhnen wir uns an des Tages Gang
und nehmen Nahrung an und wohnen immer
die gleiche Einsamkeit entlang.
Und haben Hoffnung und Verwunderung
und dies zur Sorge, jenes zum Gewissen -
nur der uns einstens dringend hingerissen
der Schwung, der Schwung:
Ihr Engel, jener, der euch täglich reißt
... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...


Rainer Maria Rilke, Herbst 1913, ?


Gedichte 1906 bis 1926.

Aus den Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte 
aus den mittleren und späten Jahren.



*
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Bücher - Innere Landschaften ....

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Rainer Maria Rilke




Mein "Neues" ....

Nach der Ausstellung im Haus der Heimat Habe ich das Begleit-Buch zum Thema

INNERE LANDSCHAFTEN erworben -
Jan Jindra Rainer Maria Rilke und seine Welt in der Fotografie.


Der tschechische Fotograf Jan Jindra begab sich auf eine literarische Spurensuche.
Mit seiner Kamera besuchte er „Schauplätze des Lebens" von Rainer Maria Rilke. Die
Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die er auf seinen Reisen gemacht hat, fangen die Atmo-
sphäre ganz unterschiedlicher Orte ein, die den Dichter inspirierten. Vom bescheide-
nen Zimmer in der Prager Wassergasse über die Kapelle in Mährisch-Weisskirchen
bis zur Nekropole Alyscamps im französischen Arles - die Räume spielen in seinen

Werken eine Rolle, werden vom besuchten Ort zur „inneren Landschaft".


Frontcover

Innere Landschaften Fotografiert von Jan Jindra


Der Fotograf



Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen. 

Unser Leben geht hin mit Verwandlung. Und immer geringer 
schwindet das Außen. Wo einmal ein dauerndes Hauswar, 
schlägt sich erdachtes Gebild vor, quer, zu Erdenklichem 
völlig gehörig, als ständ es noch ganz im Gehirne. 
Weite Speicher der Kraft schafft sich der Zeitgeist, gestaltlos 
wie der spannende Drang, den er aus allem gewinnt. 
Tempel kennt er nicht mehr. 

Diese, des Herzens, Verschwendung 
sparen wir heimlicher ein. Ja, wo noch eins übersteht, 
ein einst gebetetes Ding, ein gedientes, geknietes -, 
hält es sich, so wie es ist, schon ins Unsichtbare hin. 
Viele gewahrens nicht mehr, doch ohne den Vorteil, 

daß sie's nun innerlich baun, mit Pfeilern und Statuen, größer!

Rainer Maria Rilke

aus der 7. Duineser Elegie.
Château de Muzot, am 7. Februar 1922. Endgültige Fassung des Schlusses: 26. Februar 1922.



*
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Rainer Maria Rilke








Ich komme aus meinen Schwingen heim

Ich komme aus meinen Schwingen heim, 
mit denen ich mich verlor. 
Ich war Gesang, und Gott, der Reim, 
rauscht noch in meinem Ohr. 

Ich werde wieder still und schlicht, 
und meine Stimme steht; 
es senkte sich mein Angesicht 
zu besserem Gebet. 
Den andern war ich wie ein Wind, 
da ich sie rüttelnd rief. 
Weit war ich, wo die Engel sind, 
hoch, wo das Licht in Nichts zerrinnt - 

Gott aber dunkelt tief. 

Die Engel sind das letzte Wehn 
an seines Wipfels Saum; 
dass sie aus seinen Ästen gehn, 
ist ihnen wie ein Traum. 
Sie glauben dort dem Lichte mehr 
als Gottes schwarzer Kraft, 
es flüchtete sich Lucifer 
in ihre Nachbarschaft. 

Er ist der Fürst im Land des Lichts, 
und seine Stirne steht 
so steil am großen Glanz des Nichts, 
dass er, versengten Angesichts, 
nach Finsternissen fleht. 

Er ist der helle Gott der Zeit, 
zu dem sie laut erwacht, 
und weil er oft in Schmerzen schreit 

und oft in Schmerzen lacht, 
glaubt sie an seine Seligkeit 
und hangt an seiner Macht. 

Die Zeit ist wie ein welker Rand 
an einem Buchenblatt. 
Sie ist das glänzende Gewand, 
das Gott verworfen hat, 
als Er, der immer Tiefe war, 
ermüdete des Flugs 
und sich verbarg vor jedem Jahr, 
bis ihm sein wurzelhaftes Haar 
durch alle Dinge wuchs. 


Rainer Maria Rilke


1.10.1899, Berlin-Schmargendorf


[ Engellieder - Engel der Dunkelheit ]




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ENGELLIEDER - Engel der Hoffnung ....

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Engellieder nächster Teil.


Der Lesende

Ich las schon lang. Seit dieser Nachmittag, 
mit Regen rauschend, an den Fenstern lag. 
Vom Winde draußen hörte ich nichts mehr: 
mein Buch war schwer. 
Ich sah ihm in die Blätter wie in Mienen, 
die dunkel werden von Nachdenklichkeit, 
und um mein Lesen staute sich die Zeit. - 
Auf einmal sind die Seiten überschienen, 
und statt der bangen Wortverworrenheit 
steht: Abend, Abend... überall auf ihnen. 
Ich schau noch nicht hinaus, und doch zerreißen 
die langen Zeilen, und die Worte rollen 
von ihren Fäden fort, wohin sie wollen... 
Da weiß ich es: über den übervollen 
glänzenden Gärten sind die Himmel weit; 
die Sonne hat noch einmal kommen sollen. - 
Und jetzt wird Sommernacht, soweit man sieht: 
zu wenig Gruppen stellt sich das Verstreute, 
dunkel, auf langen Wegen, gehn die Leute, 
und seltsam weit, als ob es mehr bedeute, 
hört man das Wenige, das noch geschieht. 

Und wenn ich jetzt vom Buch die Augen hebe, 
wird nichts befremdlich sein und alles groß. 
Dort draußen ist, was ich hier drinnen lebe, 
und hier und dort ist alles grenzenlos; 
nur dass ich mich noch mehr damit verwebe, 
wenn meine Blicke an die Dinge passen 
und an die ernste Einfachheit der Massen, - 
da wächst die Erde über sich hinaus. 
Den ganzen Himmel scheint sie zu umfassen: 
der erste Stern ist wie das letzte Haus. 


Rainer Maria Rilke

September 1901, Westerwede



Der Engel

Mit einem Neigen seiner Stirne weist
er weit von sich was einschränkt und verpflichtet;
denn durch sein Herz geht riesig aufgerichtet
das ewig Kommende das kreist.

Die tiefen Himmel stehn ihm voll Gestalten,
und jede kann ihm rufen: komm, erkenn - .
Gieb seinen leichten Händen nichts zu halten
aus deinem Lastenden. Sie kämen denn

bei Nacht zu dir, dich ringender zu prüfen,
und gingen wie Erzürnte durch das Haus
und griffen dich als ob sie dich erschüfen
und brächen dich aus deiner Form heraus.




Rainer Maria Rilke

Paris, 
1904?



*
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Der Ölbaumgarten

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Vincent van Gogh,  der Olivengarten, 1889.


Der Ölbaumgarten

Er ging hinauf unter dem grauen Laub 
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände 
und legte seine Stirne voller Staub 
tief in das Staubigsein der heißen Hände. 


Nach allem dies. Und dieses war der Schluß.. 
Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde, 
und warum willst Du, daß ich sagen muß 
Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde. 


Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein. 
Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein. 
Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein. 


Ich bin allein mit aller Menschen Gram, 
den ich durch Dich zu lindern unternahm, 
der Du nicht bist. O namenlose Scham... 


Später erzählte man: ein Engel kam -. 


Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht 
und blätterte gleichgültig in den Bäumen. 
Die Jünger rührten sich in ihren Träumen.
Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht. 


Die Nacht, die kam, war keine ungemeine; 
so gehen hunderte vorbei. 
Da schlafen Hunde und da liegen Steine. 
Ach eine traurige, ach irgendeine, 
die wartet, bis es wieder Morgen sei. 


Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern, 
und Nächte werden nicht um solche groß. 
Die Sich-Verlierenden läßt alles los, 
und sie sind preisgegeben von den Vätern 
und ausgeschlossen aus der Mütter Schooß.. 

Rainer Maria Rilke


Aus: Neue Gedichte (1907)


Michelangelo: Kreidezeichnung, 1539/41.
"Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; 
doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst."
 Matthäus 26.

Aus den Traditionen der verschiedene Religionsrichtungen Christlichen Glaubens:

Die Karfreitagsfeier in den orthodoxen und katholischen Ostkirchen byzantinischer und slawischer Tradition beginnt in der Regel am Donnerstagabend mit dem Morgengottesdienst (Orthros/utrenja). Dieser Gottesdienst – im Volksmund oft einfach „Die zwölf Evangelien“ genannt – wird von zwölf Evangelienlesungen bestimmt. Die offizielle Bezeichnung lautet „Akoluthia der heiligen Leiden“. In dem Gottesdienst werden die Passionstexte aus den vier Evangelien gesungen, außerdem fünfzehn zum Teil altkirchliche Antiphonen und Kathismen. Der Kanon dieses Gottesdienstes stammt von Kosmas von Majuma und ist ein Musterbeispiel aus der Zeit der zweiten Hochblüte byzantinischer Kirchendichtung im 7./8. Jahrhundert. In der griechischen, aber auch in der rumänischen Tradition hat der Gottesdienst einen besonders dramatischen Höhepunkt mit dem Gesang der 15. Antiphon. Hier wird ein Kruzifix aus der Nordtür der Ikonostase in die Mitte der Kirche getragen und dort befestigt. Daran schließt sich die Verehrung des Kreuzes durch die Gemeinde an. Der Text der ersten Strophe der 15. Antiphon lautet:

Der Text der ersten Strophe der 15. Antiphon lautet:

„Heute hängt am Holz, der die Erde in die Wasser gehängt hat.
Mit einem Kranz aus Dornen wird umwunden der König der Engel.
Lügenhaft wird mit Purpur verhüllt, der den Himmel mit Wolken verhüllt.
Schläge hat empfangen, der im Jordan den Adam befreite.
Mit Nägeln wurde befestigt der Bräutigam der Kirche.
Mit einer Lanze wurde durchbohrt der Sohn der Jungfrau.
Wir verehren deine Leiden, Christus.
Zeige uns auch deine herrliche Auferstehung!“

[ Text : Wikipedia ]


Russisch Orthodoxes Segenskreuz



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Kreuzigung

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Rainer Maria Rilke


Tryptichon von van der Weyden.


Rogier van der Weyden 
Niederlande,oder "Roger de la Pasture" (1399 oder 1400 – 18 Juni 1464) 
war ein früher Flämischer Maler.

Zum "Kar"- Freitag.


Kreuzigung

Längst geübt, zum kahlen Galgenplatze
irgend ein Gesindel hinzudrängen,
ließen sich die schweren Knechte hängen,
dann und wann nur eine große Fratze

kehrend nach den abgetanen Drein.
Aber oben war das schlechte Henkern
rasch getan; und nach dem Fertigsein
ließen sich die freien Männer schlenkern.

Bis der eine (fleckig wie ein Selcher)
sagte: Hauptmann, dieser hat geschrien.
Und der Hauptmann sah vom Pferde: Welcher?
und es war ihm selbst, er hätte ihn

den Elia rufen hören. Alle
waren zuzuschauen voller Lust,
und sie hielten, dass er nicht verfalle,
gierig ihm die ganze Essiggalle
an sein schwindendes Gehust.

Denn sie hofften noch ein ganzes Spiel
und vielleicht den kommenden Elia.
Aber hinten ferne schrie Maria,
und er selber brüllte und verfiel.


Rainer Maria Rilke




Karfreitag
Der Karfreitag, althochdeutsch kara ‚Klage‘,
Kummer‘, ‚Trauer‘ ist der Freitag vor Ostern.



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926
geschrieben im Sommer 1908 (vor dem 2.8.), in Paris.


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Rainer Maria Rilke


[ Engel der Hoffnung ]

Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz

Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz, 
an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen; 
du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen, 
du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen, 
du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen, 
du dunkles Netz, 

darin sich flüchtend die Gefühle fangen. 

Du hast dich so unendlich groß begonnen 
an jenem Tage, da du uns begannst, - 
und wir sind so gereift in deinen Sonnen, 
so breit geworden und so tief gepflanzt, 
dass du in Menschen, Engeln und Madonnen 
dich ruhend jetzt vollenden kannst. 

Lass deine Hand am Hang der Himmel ruhn 
und dulde stumm, was wir dir dunkel tun. 


Rainer Maria Rilke
26.9.1899, Berlin-Schmargendorf


Jean-Baptiste Camille Corot (1796–1875) Cathédrale de Chartres 1830
Chartres

Im Sturm, der um die starke Kathedrale 
wie ein Verneiner stürzt der denkt und denkt, 
fühlt man sich zärtlicher mit einem Male 
von deinem Lächeln zu dir hingelenkt: 

lächelnder Engel, fühlende Figur, 
mit einem Mund, gemacht aus hundert Munden: 
gewahrst du gar nicht, wie dir unsre Stunden 
abgleiten von der vollen Sonnenuhr, 

auf der des Tages ganze Zahl zugleich, 
gleich wirklich, steht in tiefem Gleichgewichte, 
als wären alle Stunden reif und reich. 

Was weißt du, Steinerner, von unserm Sein? 
und hältst du mit noch seligerm Gesichte 
vielleicht die Tafel in die Nacht hinein? 


Rainer Maria Rilke
Mai/Juni 1906, Paris







*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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KARSAMSTAG - Christi Höllenfahrt ....

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Rainer Maria Rilke




KARA - KLAGE - TRAUER.


Giotto-Scrovegni, die Beweinung Christi, 1304-1306
Bild aus der Cappella degli Scrovegni, Padua, Venetien.



Christi Höllenfahrt

Endlich verlitten, entging sein Wesen dem schrecklichen
Leibe der Leiden. Oben. Ließ ihn.
Und die Finsternis fürchtete sich allein
und warf an das Bleiche
Fledermäuse heran, - immer noch schwankt abends
in ihrem Flattern die Angst vor dem Anprall
an die erkaltete Qual. Dunkle ruhlose Luft
entmutigte sich an dem Leichnam; und in den starken
wachsamen Tieren der Nacht war Dumpfheit und Unlust.
Sein entlassener Geist gedachte vielleicht in der Landschaft
anzustehen, unhandelnd. Denn seiner Leidung Ereignis
war noch genug. Maßvoll
schien ihm der Dinge nächtliches Dastehn,
und wie ein trauriger Raum griff er darüber um sich.
Aber die Erde, vertrocknet im Durst seiner Wunden,
aber die Erde riss auf, und rufte es im Abgrund.
Er, Kenner der Martern, hörte die Hölle
herheulend, begehrend Bewusstsein
seiner vollendeten Not: dass über dem Ende der seinen
(unendlichen) ihre, währende Pein erschrecke, ahne.
Und er stürzte, der Geist, mit der völligen Schwere
seiner Erschöpfung herein: schritt als ein Eilender
durch das befremdete Nachschaun weidender Schatten,
hob zu Adam den Aufblick, eilig,
eilte hinab, schwand, schien und verging in dem Stürzen
wilderer Tiefen. Plötzlich (höher höher) über die Mitte
aufschäumender Schreie, auf dem langen
Turm seines Duldens trat er hervor: ohne Atem,
stand ohne Geländer, Eigentümer der Schmerzen. Schwieg.


Rainer Maria Rilke

April 1913, Paris
Insel-Almanach 1914

Aus Gedichte von 1910-1922




Cappella degli Scrovegni


Der Karsamstag -
ist der Tag, an dem die Kirche der Grabesruhe Christi gedenkt und mit Fasten und Gebet seine Auferstehung erwartet, die an Ostern gefeiert wird. 

Es werden am Karsamstag keine Sakramente gespendet, die mit Festfreude verbunden sind, insbesondere keine Eucharistiefeier, die Heilige Kommunion wird nur als Wegzehrung [Sterbekommunion] gereicht.

Der Karsamstag,
althochdeutsch kara ‚Klage‘, ‚Kummer‘, ‚Trauer‘, ist der letzte Tag der Karwoche und der zweite Tag des österlichen Triduums.
Auf ihn folgt der Ostersonntag.

Der Karsamstag wird regional auch als Karsonnabend oder stiller Samstag bezeichnet. Nach traditioneller christlicher Vorstellung ist der Karsamstag der Tag der Höllenfahrt Christi, bei der Jesus in der Nacht nach seiner Kreuzigung in die Unterwelt hinabgestiegen sei und dort im Limbus, dem „Schoß Abrahams“, die Seelen der Gerechten seit Adam befreit habe.


Der Karsamstag endet mit dem Beginn der Feier der Osternacht, die als Nachtwache bereits zur Liturgie des Ostersonntags gehört. Da die Feier der Osternacht eine Vigil ist, die zur Gänze im Dunkeln abgehalten werden soll, beginnt sie in den späten Abendstunden des Karsamstags.



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Rainer Maria Rilke . 1875-1926




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Rainer Maria Rilke



[Der Engel der Hoffnung ]


Denn wir sind nur die Schale und das Blatt

Denn wir sind nur die Schale und das Blatt. 
Der große Tod, den jeder in sich hat, 
das ist die Frucht, um die sich alles dreht. 

Um ihretwillen heben Mädchen an 
und kommen wie ein Baum aus einer Laute, 
und Knaben sehnen sich um sie zum Mann; 
und Frauen sind den Wachsenden Vertraute 
für Ängste, die sonst niemand nehmen kann. 
Um ihretwillen bleibt das Angeschaute 
wie Ewiges, auch wenn es lang verrann, - 
und jeder, welcher bildete und baute, 
ward Welt um diese Frucht, und fror und taute 
und windete ihr zu und schien sie an. 
In sie ist eingegangen alle Wärme 
der Herzen und der Hirne weißes Glühn -: 
Doch deine Engel ziehn wie Vogelschwärme, 
und sie erfanden alle Fruchte grün. 


Rainer Maria Rilke

16.4.1903, 
Viareggio


Schutzenegel von  Pietro da Cortona, 1 November 1596-97 – 16 Mai 1669.


Der Schutzengel

Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen, 
wenn ich erwachte in der Nacht und rief. 
Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namen 
ist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief. 
Du bist der Schatten, drin ich still entschlief, 
und jeden Traum ersinnt in mir dein Samen, - 
du bist das Bild, ich aber bin der Rahmen, 
der dich ergänzt in glänzendem Relief. 

Wie nenn ich dich? Sieh, meine Lippen lahmen. 
Du bist der Anfang, der sich groß ergießt, 
ich bin das langsame und bange Amen, 
das deine Schönheit scheu beschließt. 

Du hast mich oft aus dunklem Ruhn gerissen, 
wenn mir das Schlafen wie ein Grab erschien 
und wie Verlorengehen und Entfliehn, - 
da hobst du mich aus Herzensfinsternissen 
und wolltest mich auf allen Türmen hissen 
wie Scharlachfahnen und wie Draperien. 

Du: der von Wundern redet wie vom Wissen 
und von den Menschen wie von Melodien 
und von den Rosen: von Ereignissen, 
die flammend sich in deinem Blick vollziehn, - 
du Seliger, wann nennst du einmal Ihn, 
aus dessen siebentem und letztem Tage 
noch immer Glanz auf deinem Flügelschlage 
verloren liegt... 
Befiehlst du, dass ich frage? 


Rainer Maria Rilke

24.7.1899, 
Berlin-Schmargendorf





[ Weiter geht es dann mit : Der Engel der Sehnsucht ]


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Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Zur Auferstehung ....

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Rainer Maria Rilke




Carl Heinrich Bloch, die Auferstehung Christi.


Gott im Mittelalter


Und sie hatten Ihn in sich erspart
und sie wollten, dass er sei und richte,
und sie hängten schließlich wie Gewichte
(zu verhindern seine Himmelfahrt)

an ihn ihrer großen Kathedralen
Last und Masse. Und er sollte nur
über seine grenzenlosen Zahlen
zeigend kreisen und wie eine Uhr

Zeichen geben ihrem Tun und Tagwerk.
Aber plötzlich kam er ganz in Gang,
und die Leute der entsetzten Stadt

ließen ihn, vor seiner Stimme bang,
weitergehn mit ausgehängtem Schlagwerk
und entflohn vor seinem Zifferblatt.




Rainer Maria Rilke


19.-23.7.1907, Paris


Auferstehung:


[ Ostern: Lateinisch pascha, von hebräisch pessach, - Passah, ist im Christentum die jährliche Gedächtnisfeier der Auferstehung Jesu Christi, der nach dem Neuen Testament (NT) als Sohn Gottes den Tod überwunden hat. - Der im Deutschen gebräuchliche Name Ostern ist altgermanischen Ursprungs und hängt wohl mit der Morgenröte und der Himmelsrichtung „Osten“ zusammen: Der Ort der aufgehenden Sonne gilt im Christentum als Symbol des auferstandenen und wiederkehrenden Jesus Christus. ]

CARL HEINRICH BLOCH, der Künstler des Werkes:
Carl Heinrich Bloch, * 23. Mai 1834 in Kopenhagen,

† 22. Februar 1890 Kopenhagen, war ein dänischer Maler.

Das Gemälde


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Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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Engellierder - Fragment einer Auferstehung

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Rainer Maria Rilke




Fragment einer Auferstehung

Der Engel stemmt mit den Trompetenstößen
die Steine auf-, und sie, in parallelen
Entschlüssen, strecken sich nach ihren Seelen,
die Oben stehn, geordnet nach den Größen

Rainer Maria Rilke,

 24. oder 25.6.1911, Paris
Gedichte 1906 bis 1926.

Aus: Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte
aus den mittleren und späten Jahren.




[ Engel der Hoffnung ]


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Rainer Maria Rilke . 1875-1926



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