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Channel: RAINER MARIA RILKE . 1875-1926
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Nacht

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Rainer Maria Rilke
Nacht
YouTube Video

Nacht 
***

***

NACHT


Nacht. O du in Tiefe gelöstes
Gesicht an meinem Gesicht.
Du, meines staunenden Anschauns größtes
Übergewicht.

Nacht, in meinem Blicke erschauernd,
Aber in sich so fest;
Unerschöpfliche Schöpfung, dauernd
Über dem Erdenrest;

Voll von jungen Gestirnen, die Feuer
Aus der Flucht ihres Saums
Schleudern ins lautlose Abenteuer
Des Zwischenraums:

Wie, durch dein bloßes Dasein, erschein ich,
Übertrefferin, klein —;
Doch, mit der dunkelen Erde einig,
Wag ich es, in dir zu sein.


Rainer Maria Rilke . 1875-1926
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.

Gedicht von Rainer Maria Rilke /
Rezitation: Barbara Sukowa /
RILKE-PROJEKT - Aus dem Umkreis Nächte - YouTube Video von Lyrik & Musik, non Provit Channel



Geo ::.
Maison Courtenay
QUOD VERUM TUTUM

Aus den Gedichten an die Nacht

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Rainer Maria Rilke
Nacht
Gedichte

Rainer Maria Rilke
Hebend die Blicke vom Buch

I

Hebend die Blicke vom Buch, von den nahen zählbaren Zeilen 
in die vollendete Nacht hinaus: 
O wie sich sternegemäß die gedrängten Gefühle verteilen, 
so als bände man auf 
einen Bauernstrauß: 

Jugend der leichten und neigendes Schwanken der schweren 
und der zärtlichen zögernder Bug -. 
Überall Lust zu Bezug und nirgends Begehren; 
Welt zu viel und Erde genug. 


Gedanken der Nacht

II 

Gedanken der Nacht, aus geahnter Erfahrung gehoben, 
die schon das fragende Kind mit Schweigen durchdrang, 
langsam denk ich euch auf-, und oben, oben in 
nimmt euch der starke Beweis sanft in Empfang. 

Daß ihr seid, ist bejaht; daß hier, im gedrängten Behälter, 
Nacht, zu den Nächten hinzu, sich heimlich erzeugt. 
Plötzlich: mit welchem Gefühl, steht die unendliche, älter, 
über die Schwester in mir, die ich berge, gebeugt. 


Ob ich damals war — oder bin

III 

Ob ich damals war — oder bin: du schreitest 
über mich hin, du unendliches Dunkel aus Licht. 
Und das Erhabene, das du im Räume bereitest, 
nehm ich, Unkenntlicher, an mein waches Gesicht. 

Nacht, o erführest du, wie ich dich schaue, 
wie mein Wesen zurück im Anlauf weicht, 
daß es sich dicht bis zu dir zu werfen getraue; 
faß ich es denn, daß die zweimal genommene Braue 
über solche Ströme von Aufblick reicht? 


Überfließende Himmel verschwendeter Sterne

IV 

Überfließende Himmel verschwendeter Sterne 
prachten über der Kümmernis. Statt in die Kissen, 
weine hinauf. Hier, an dem weinenden schon, 
an dem endenden Antlitz, 
um sich greifend, beginnt der hin-
reißende Weltraum. Wer unterbricht, 
wenn du dort hin drängst, 
die Strömung? Keiner. Es sei denn, 
daß du plötzlich ringst mit der gewaltigen Richtung 
jener Gestirne nach dir. Atme. 
Atme das Dunkel der Erde und wieder 
aufschau! Wieder. Leicht und gesichtlos, 
lehnt sich von oben Tiefe dir an. Das gelöste 
nachtenthaltne Gesicht gibt dem deinigen Raum. 


Hinhalten will ich mich


Hinhalten will ich mich. Wirke. Geh über 
so weit du vermöchtest. Hast du nicht Hirten das Antlitz 
größer geordnet, als selbst in der Fürstinnen Schoß 
unaufhörlicher Könige Herkunft und künftige Kühnheit 
formten den krönlichen Ausdruck? Wenn die Galionen 
in dem staunenden Holz des stillhaltenden Schnitzwerks 
Züge empfangen des Meerraums, in den sie stumm drängend 
hinausstehn: 
o, wie sollte ein Fühlender nicht, der will, der sich aufreißt, 
unnachgiebige Nacht, endlich dir ähnlicher sein.

Rainer Maria Rilke

Aus der Sammlung Letzte Gedichte und Fragmentarisches

....

Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Rainer Maria Rilke
MAINTENANCE



MAINTENANCE
.... ARBEITEN DARAN  - 
Blog wird Überarbeitet! Ladeprobleme!



Wünsche einen schönen Nikolaustag.


Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? -

Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt -

Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; -
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.


Aus dem Nachlaß des Grafen C. W. (Nachlaß)


Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Die Nacht wächst ....

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Rainer Maria Rilke
NACHT



Allumeur de réverbères, place de la Concorde, Paris.
Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt,
wo nach stummen Gesetzen
sich die Gassen mit Gassen vernetzen
und sich Plätze fügen zu Plätzen,
und die bald an die tausend Türme hat.

Aber die Häuser der schwarzen Stadt, -
du weißt nicht, wer darin siedelt.

In ihrer Gärten schweigendem Glanz
reihen sich reigende Träume zum Tanz, -
und du weißt nicht, wer ihnen fiedelt .... 


Rainer Maria Rilke
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Gedicht & Bücher

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Marina Zwetajewa | Мари́на Ива́новна Цвета́ева  
Gedicht : Dezember & Januar

Мари́на Ива́новна Цвета́ева

Dezember & Januar

Dezember und Januar.
Im Dezember die Morgendämmerung des Glücks
Es dauerte - einen Augenblick.
Gerade - das erste Glück.
Nicht aus Büchern!


Im Januar die Morgendämmerung der Trauer,
Sie dauerte - eine Stunde.
Gerade - die bittere Trauer.
Zum ersten Mal!

Marina Zwetajewa

  
ДЕКАБРЬИЯНВАРЬ
Вдекабреназаребылосчастье,
Длилось - миг.
Настоящее, первоесчастье
Неизкниг!


Вянвареназаребылогоре,
Длилось - час.
Настоящее, горькоегоре

Впервыйраз!

Мари́на Ива́новна Цвета́ева

Gedicht bei ngiyaw!
Marina Zwetajewa  Bio und Infos bei NGIYAW-ebooks


Meine neuen ....


Buch bei Amazon
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Rainer Maria Rilke und  Maria Zwetajewa - Ein Gespräch in Briefen bei Amazon
Im Feuer geschrieben bei Amazon

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Advent

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Rainer Maria Rilke




Kerzln, 2. Advent.

ADVENT

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke


Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Fotos: aus meinem Sudelbüchle ....

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Rainer Maria Rilke
Fotos.
Neue Blogserie, aus meinem Sudelbüchle



Rainer Maria Rilke in Nion
Nyon
ist eine politische Gemeinde und Hauptort des gleichnamigen Distrikts des Kantons Waadt in der Schweiz. Die deutschen Bezeichnungen Neuis und Neuss stammen aus der Zeit der Berner Herrschaft und werden heute nicht mehr verwendet. Unter den Kelten hiess der Ort Noviodunos (latinisiert Noviodunum), während der Römerzeit Colonia Iulia Equestris.
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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Letzter Abend

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Rainer Maria Rilke
Aus meinem Sudelbüchle
Webschnipsel

Letzter Abend.
Zu diesen Erinnerungen gehört die der Frau Nonna beim Abschied von ihrem ersten Mann, der 1866 in der Schlacht von Königgrätz fiel. 
Rainer Maria Rilke verdankte dem sein Gedicht „Letzter Abend“.

Letzter Abend

(Aus dem Besitze Frau Nonnas)
Und Nacht und fernes Fahren; denn der Train 
des ganzen Heeres zog am Park vorüber. 
Er aber hob den Blick vom Clavecin 
und spielte noch und sah zu ihr hinüber 

und beinah wie man in einen Spiegel schaut: 
so sehr erfüllt von seinen jungen Zügen 
und wissend, wie sie seine Trauer trügen, 
schön und verführender bei jedem Laut. 

Doch plötzlich wars, als ob sich das verwische: 
sie stand wie mühsam in der Fensternische 
und hielt des Herzens drängendes Geklopf. 

Sein Spiel gab nach. Von draußen wehte Frische. 
Und seltsam fremd stand auf dem Spiegeltische 
der schwarze Tschako mit dem Totenkopf.

Rainer Maria Rilke
Aus: Neue Gedichte (1906/07)

John Everett Millais, The Black Brunswicker, Schwarzer Braunschweiger
mit  schwarzem Tschako und Totenkopf.


Frau Nonna?
war Julie Freifrau von Nordeck zu Rabenau, genau:
Bianca Julie Elisabeth Ducius von Wallenberg, * Breslau 23.05.1842
Verheiratet mit,
Eduard Karl Georg, Graf von Bethusy-Huc * 06.09.1835 
Julie Freifrau von Nordeck zu Rabenau,
"Frau Nonna"
Als Rilke 1909 anlässlich einer Lesung in Breslau den Bruder Frau Nonnas besuchte, legte er am Grab ihres gefallenen Mannes, des Grafen von Bethusy-Huc, Rosen nieder: das im Juni 1906 in Paris entstandene Sonett erschien in den „Neuen Gedichten“.


GeneAll.net : Eduard Karl Georg, Graf von Bethusy-Huc
* 06.09.1835 + 03.07.1866

Eltern
Vater: Eduard Hermann Karl, Graf von Bethusy-Huc * 17.06.1799 
Mutter: Caroline Leopoldine von Kircheisen * 24.11.1816

Heiraten
Bianca Julie Elisabeth Ducius von Wallenberg * 23.05.1842  (Frau Nonna)



Schnipsel zum Gedicht aus:
Rilkes Sommer in Friedelhausen, von Renate Scharffenberg.


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Die Laute

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Rainer Maria Rilke
Gedichte&Kunst

Carlos Schwabe, Frau mit Leier, Femme,Lyre o.D.

Die Laute.

Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib
beschreiben, sein schön gewölbten Streifen:
sprich so, als sprächest du von einer reifen
gewölbten Feige. Übertreib

das Dunkel, das du in mir siehst. Es war
Tullias Dunkelheit. In ihrer Scham
war nicht so viel, und ihr erhelltes Haar
war wie ein heller Saal. Zuweilen nahm

sie etwas Klang von meiner Oberfläche
in ihr Gesicht und sag zu mir.
Dann spannte ich mich gegen ihre Schwäche,
und endlich war mein Inneres in ihr.


Rainer Maria Rilke

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Carlos Schwabe,
vollständig Emile Martin Charles Schwabe 
* 21. Juli 1866 in Altona; † 22. Januar 1926 in Avon, Département Seine-et-Marne,
war ein deutscher, später Schweizer symbolistischer Maler und Grafiker.



Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Besuchen Sie auch meinen Blog "Semsakrebsler" [ ARTWork&Mehr. ]
Danke, wünsche einen schönen Tag.

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Gewitter Gewitter ....

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Rainer Maria Rilke
Aus meinem Sudelbüchle


Gewitter Gewitter

was willst du hier, wo der Nöte so viele sind und der Verhängnisse und der unbegreiflichen Wesen?
was über diesem Haus, in dem wir doch vor dem eigenen Leben nicht sicher sind, in dem wir wohnen wie Flüchtlinge mit der Flucht zusammen, die mit hereingekommen ist?
was über uns, die wir müde sind und unsern Mut draußen gelassen haben in den geängsteten Feldern?

.... was willst du von den Bäumen, die älter sind, als der Älteste unter uns? Hast du einen Auftrag an den Staub dessen, der sie gepflanzt hat? Und den Alten hier was unterbrichst du ihn in seinem unaufhörlichen Andenken? - Und wir, Rührigen, wir sitzen stumpf da und halten unsere Kraft wie Blei in den Schultern und haben nichts zu tun, solange du handelst. Und die Kinder sind aufgewacht und wundern sich, und es ist ein Zorn in der Luft, den ihnen die Mutter nicht ganz ausreden kann. Sie drückt die kleinen Gesichter in ihren Schoß eins nach dem andern, aber jedes Gesicht weiß und ist nicht wieder gut zu machen.

Gewitter Gewitter, was willst du hier, wo schon alles ist, du Überfluss? Das Leben ist hier, und in den Zwischenräumen ist der Tod; Schmerzen sind da von allen Größen und ein bisschen Freudesamen irgendwo in einer Lade. Es ist alles vollzählig, kann ich dir versichern, auch das Zerbrochene, auch die Asche im Herd, auch die Kartoffelschalen. Und das Krachen im Holz und die Finsternis unter der Treppe und alles, was nur hereingeht.
Lass doch die Mächte zu den Mächten kommen, ewiger Gott, nicht über uns.

Gewitter, Gewitter, geh zur Jungfrau Maria (kennst du sie nicht?), mach dich so stark wie du magst, sie wird dich lieb haben, denn sie ist stärker als du. Sie wird mit dir spielen und nicht merken, dass du furchbar bist: denn sie ist stärker als du. Sie wird dich in die Hand nehmen wie eine große Hummel und sich stechen lassen von dir, und es wird kein Schmerz werden in ihrer Hand, sondern Wohltun in deinem Stachel ....


Rainer Maria Rilke

2.7.1914, Paris
Briefe aus den Jahren 1907-1914 
- Hg: Ruth und Carl Sieber, Leipzig 1933.


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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Meine Blogs:
Semsakrebsler | Rainer Maria Rilke | Glasblog | Gustav Klimt . ArtWork
ArtWork - eine Zusammenfassung all meiner Blogs |


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Oh wie schälst du mein Herz ....

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Rainer Maria Rilke
Gedichte

Oh wie schälst du mein Herz aus den Schalen des Elends

Oh wie schälst du mein Herz aus den Schalen des Elends.
Was verriet dir im schlechten Gehäus den erhaltenen Kern?
Der süß wie Gestirn, weltsüß, mir im Inneren ansteht.
Ach, da ich litt, befiel ihn ein schläferndes Wachstum,
da mir das Leiden schweigend die Glieder zerbrach
schlief mir im Herzen ein Herz, ein künftiges, schuldlos.
Eines, oh sieh: noch weiß ich nicht welches, noch rat ichs,
dieses vermutete Herz. Ihm galten die Sterne
die ich dem trüberen gab. Oh sei ihm hinüber
durch meine bange Natur. Sei ihm verständigt. Erkenns.
Rufs. Du Erstaunende, rufs. Stell ihm ein kleines
Lächeln zunächst, dass es sich rührt von dem Schein;
neig ihm dein schönes Gesicht: den Raum des Erwachens
dass es sich wundert in Dir und sich des Morgens gewöhnt.


Rainer Maria Rilke

2. und 3.3.1914, Berlin
Sämtliche Werke, Band II, 1957.



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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


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PARIS

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Rainer Maria Rilke
Pariser Wohnungen
1902, August bis Oktober.

PARIS.


Paris- Eiffelturm
Rainer Maria Rilkes Aufenthalte und Wohnungen in Paris:

Erster Pariser Aufenthalt von Rainer Maria Rilke.

Wohnort: August-Oktober 1902: 
11, Rue Toullier.

Bei Google Maps ....


***


***
Rue Toullier

Wikipedia Rue Toullier (F)

Rue Toullier Foto 2012 [W]
Vom 28. AUGUST 1902 bis ENDE JUNI 1903 
dauert Rilkes erster Pariser Aufenthalt.

Rilkes erste Wohnung: 11, rue Toullier,
die Adresse, mit der die »Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge« beginnen.

Zum Malte ....

Hier schreibt er an Clara Rilke:  »On ne peut pas s'en douter: je suis a Paris …. «
»Wir können nicht daran zweifeln: Ich bin in Paris ….«

AM 30. UND 31. AUGUST sieht Rainer Maria Rilke Louvre und Notre Dame,
Musee du Luxembourg und Pantheon.


Pantheon Paris
Pantheon Paris
In seinem großen Brief an Clara Rilke, in dem er am 31. 8. 1902 diese ersten
Eindrücke beschreibt, heißt es dann:
»Mich ängstigen die vielen Hospitäler, die hier überall sind.
Ich verstehe, warum sie bei Verlaine, bei Baudelaire und Mallarme immerfort
vorkommen ....
»Man fühlt auf einmal, daß es in dieser weiten Stadt 
Heere von Kranken gibt, Armeen von Sterbenden, Völker 
von Toten.« 
Das war Rilkes erster Eindruck.

1. SEPTEMBER
Rilkes erster Besuch bei Rodin.
»Gestern, Montag nachmittag 3 Uhr, war ich zuerst bei Rodin.
Atelier rue de lUniversite 182. [ Google Maps ]
Bin auf der Seine hingefahren. [ So kommt man heut hin, vielleicht war es bei Rilke ja ähnlich! ]


Er (Rodin) hatte Modell.
Ein Mädchen, hatte ein kleines Gipsding in der Hand, an dem er herumkratzte.
Er ließ die Arbeit im Stich, bot mir einen Sessel an, und wir sprachen. Er war gut und
mild.  »Und mir war, als kennte ich ihn immer schon.«

Rilke darf alles ansehen, was im Atelier steht:
»Die -Hand- ist da. C'est une main comme-ca (sagte er und machte mit seiner eine so
mächtig haltende und formende Gebärde, daß man glaubte,
Dinge aus ihr wachsen zu sehen) .... «
[ Brief An Clara  Rilke, 2. 9. 1902]




2. SEPTEMBER:
»Und nun heute: heute fuhr ich um 9 Uhr
früh mit der Bahn nach Meudon ….«  [Google Maps]



MEUDON : bei Rodin ....


Auguste Rodin
Rilke beschreibt Haus und Park, dann:
 »Es ist ein ungeheuer großer und seltsamer Eindruck, diese große helle Halle mit allen ihren weißen,
blendenden Figuren, die aus den vielen hohen Glastüren hinaussehen wie die Bevölkerung
eines Aquariums« - angesichts des Pavillons von der Pariser Weltausstellung 1900



Historisches Panoramabild der Weltausstellung in Paris 1900
der am Pont de l'Alma Rodins Arbeiten enthalten hatte und
den dieser bei sich aufbauen ließ. (Brief an Clara Rilke, vom  2. 9. 1902)


Die Villa des Brillants, ehemaliges Wohnhaus Rodins.
Werke von Rodin, heute im Musee Rodin
Aktuell Musée Rodin | Musée Rodin

....

Am selben Tag heißt es an Juncker (Damaliger Verleger Rilkes) : 
»Zickel (Theater Intendant) schrieb, er würde die weiße Fürstin noch im September bringen. [ Drama - Die Weiße Fürstin. Entstanden 1898, umgearbeitet November 1904. Erstdruck der ersten Fassung in: »Pan« V, 4, 1899/1900. Erstdruck der zweiten Fassung in »R. M. Rilke: Frühe Gedichte«, Leipzig (Insel), 1909. 
Hier in der Fassung letzter Hand von 1904 ] - Bitte gehen Sie hin und schreiben Sie mir dann genau wie es war. »» Vilma Illing«« soll die Fürstin spielen, wegen ihrer Erkrankung kommt die Aufführung nicht zu stande.

Dr. Zickel inszeniert auch Rilkes Zweiakter Das tägliche Leben  | Das tägliche leben

Axel Juncker 
* 1. Juli 1870 in Kopenhagen; 
† 29. September 1952 in Kopenhagen, war ein Verleger und Buchhändler, der in Deutschland und Dänemark tätig war. Von 1901 bis 1922 leitete er den Axel Juncker Verlag.
Seit 1897 betrieb Juncker in der Berliner Potsdamer Straße 11 eine auf skandinavische Literatur spezialisierte Buchhandlung.

Zum Kreis der deutschen Verlagsautoren gehörten so erfolgreiche Autoren, 
wie Else Lasker-Schüler, Anton Wildgans, Max Brod, Franz Werfel, Hans Bethge, Johannes Schlaf und nicht zuletzt Rainer Maria Rilke, dessen Buchhändler er zunächst war, bevor er dessen Novelle »Die Letzten« verlegte. 

Die Letzten 

Rainer Maria Rilke war auch als Lektor bei Juncker tätig.
Allerdings hatte er mit Rilkes  »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke«, 

die 1906 in einer Auflage von 300 nummerierten Exemplaren erschienen war, keinen verlegerischen Erfolg.

Erst Anton Kippenberg [Bilder]machte aus dieser Erzählung einen Welterfolg
Der für 400 Mark von ihm erworbene Text brachte es nunmehr als legendäre, noch immer verlegte Nummer 1 der 1912 ins Leben gerufenen Insel-Bücherei zu einer Millionenauflage.

Bereits 1905 und 1906 hatte Juncker den Versuch unternommen, eine Lyrikreihe unter dem Titel Axel Junckers Sammlung moderner deutscher Lyrik zu etablieren. 
Die mit Max Dauthendeys: "Die ewige Hochzeit, Der brennende Kalender, Liebeslieder" gestartete Reihe, in der auch Johannes Schlaf mit "Das Sommerlied", Gedichte (Bd. II) und René Schickele mit "Der Ritt ins Leben" (Bd. IV) vertreten waren, 
kam über vier Ausgaben nicht hinaus.

Die meisten erfolgreichen Autoren konnte der Verleger allerdings nicht halten. 
Bereits 1906 wechselte Rilke zum Insel-Verlag. 1910 verließ dann auch Max Dauthendeyden Verlag und veröffentlichte fortan bei Albert Langen und Ernst Rowohlt. 

Schließlich konnte Kurt Wolff Junckers Autoren der Expressionisten-Generation, wie
Max Brod, Franz Werfel oder Otto Pick, an sich binden. Ein Verlag mit dem Namen
"Axel Juncker" gehört heute zum Langenscheidt Verlag mit Sitz in München.


Quellen aus:  
Axel Juncker Toolserver
Kulturverleger
Suhrkamp - Briefe an Axel Junker  | bei Amazon von Renate Scharffenberg
DLA-Marbach Deutsche Literaturarchiv
Axel Junker - Wikipedia
Axel Juncker Verlag bei Wikispaces

....

Im nächsten Post : PARIS -Briefe, Rilkes Brief an Clara Rilke
Paris, 11 Rue Toullier Dienstag, den 2. September 1902

....

Einen interessanten Artikel zu Rilkes Kunstkritik 
-Wie er die Lampenluft gemacht hat-
Mit Rilke in den Kunsthandlungen von Paris:
Der Dichter durchstreifte Galerien und Auktionssäle. 

Seine Aufzeichnungen darüber sind fast ganz vergessen. In der FAZ.

....

Meine Buchempfelung - Rilke in Paris von Maurice Betz
weitere Bücher von Rainer Maria Rilke bei Amazon

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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Pariser Wohnungen
1902, August bis Oktober
Briefe: Rilkes Brief an Clara Rilke vom 2. September 1902
siehe mein letzter Post: PARIS

Oskar Zwintscher, Portraits von Rainer Maria Rilke und Clara Rilke, Westhoff.

PARIS -Briefe, Rilkes Brief an Clara Rilke
Paris, 11 Rue Toullier Dienstag, den 2. September 1902


Briefe

An Clara Rilke
Paris, 11 Rue Toullier
Dienstag, den 2. September 1902

....Gestern, Montag nachmittag 3 Uhr, war ich zuerst bei Rodin. 
Atelier Rue de L'Université 182. Bin auf der Seine hingefahren. Er hatte Modell. Ein Mädchen, hatte ein kleines Gipsding in der Hand, an dem er herumkratzte. Er ließ die Arbeit im Stich, bot mir einen Sessel an, und wir sprachen. Er war gut und mild. Und mir war, als kennte ich ihn immer schon. Als sähe ich ihn nur wieder; ich fand ihn kleiner und doch mächtiger, gütiger und erhabener. Diese Stirne, die Art, wie sie zur Nase steht, die aus ihr herausfährt wie ein Schiff aus dem Hafen ... das ist sehr merkwürdig. 
Stil von Stein ist in dieser Stirn und dieser Nase. Und der Mund hat eine Sprache, deren Klang gut, nahe und voll Jugend ist. So ist auch das Lachen, dieses verlegene und zugleich fröhliche Lachen eines schön beschenkten Kindes. Er ist mir sehr lieb. Das wußte ich gleich. Wir sprachen manches - (soweit meine seltsame Sprache und seine Zeit es zuließ.) .... Dann arbeitete er weiter und bat mich, alles zu besehen, was im Atelier steht. Das ist nicht wenig. Die "Hand" ist da. C'est une main comme-ça (sagte er und machte mit seiner eine so mächtig haltende und formende Gebärde, daß man glaubte, Dinge aus ihr wachsen zu sehen). - C'est une main comme-ça, qui tient un morceau de terre glaise avec des ... Und auf die beiden wundervoll tief und geheimnisvoll vereinigten Gestalten deutend: c'est une création ça, une création ... Wunderbar sagte er das ... Das französische Wort verlor seine Grazie und erhielt nicht die umständliche Schwere des deutschen Wortes: Schöpfung .... es hatte sich aus allen Sprachen losgelöst, losgekauft .... war allein in der Welt:création....

Ein Basrelief ist da; Morgenstern nennt er es. 
Ein ganz junger Mädchenkopf mit wunderbar junger Stirn, klar, lieb, licht, und einfach, und tief unten im Stein taucht eine Hand auf, die die Augen eines Mannes, eines Erwachenden, vor der Helle schützt. Diese Augen sind beinahe noch im Stein (so wundervoll ist das Nochnichterwachtsein hier gesagt - so plastisch): 
man sieht nur den Mund und den Bart. - Ein Frauenporträt ist da. Es ist mehr da, als man sagen kann, und alles Kleine hat so viel Größe, daß der Raum des Ateliers sich ins Unermessene zu dehnen scheint, um alles zu umfassen.

Und nun heute: heute fuhr ich um 9 Uhr früh mit der Bahn nach Meudon (gare Montparnasse, von da in 20 Minuten Fahrt). 

Die Villa, die er selbst un petit château Louis XIII genannt hat - ist nicht schön -. 

Sie hat 3 Fenster Front, rote Backsteine mit gelblichem Rahmenwerk, ein graues, steiles Dach, hohe Kamine. Die ganze "malerische" Unordnung des Val Fleury breitet sich davor aus, eines schmalen Tales, in dem die Häuser arm sind und aussehen wie in italienischen Weinbergen: (und Weinberge sind wohl auch hier, denn des Ortes steile schmutzige Straße, durch die man geht, heißt rue de la Vigne...); 
dann geht man über eine Brücke, noch ein Stück Straße, an einer kleinen, auch ganz italienisch aussehenden Osteria vorbei. 

Links ist die Tür. Zuerst eine lange Kastanienallee, mit großem Kies bestreut. 
Dann eine kleine Holzgattertür. Wieder eine kleine Holzgattertür. Dann kommt man um die Ecke des kleinen rotgelben Hauses und steht - vor einem Wunder, - vor einem Garten von Steinen und Gipsen. 
Sein großer Pavillon, derselbe, der auf der Ausstellung am Pont Alma gestanden hat, ist nun in seinen Garten übertragen, den er scheinbar ganz ausfüllt, mit noch einigen Ateliers, in denen Steinhauer sind und in denen er selbst arbeitet. 

Dann sind noch Räume zum Tonbrennen und zu allerhand Handwerken. Es ist ein ungeheuer großer und seltsamer Eindruck, diese große helle Halle mit allen ihren weißen, blendenden Figuren, die aus den vielen hohen Glastüren hinaussehen wie die Bevölkerung eines Aquariums. 
Groß ist dieser Eindruck, übergroß. Man sieht, noch ehe man eingetreten ist, daß alle diese hundert Leben ein Leben sind, - Schwingungen einer Kraft und eines Willens. Was da alles ist - alles, alles. 
Der Marmor von La prière: Gipsabgüsse fast von allem. - Wie das Werk eines Jahrhunderts ... eine Armee von Arbeit. 
Da sind Riesenvitrinen, ganz erfüllt mit wundervollen Bruchstücken der Porte de L'Enfer. Es ist nicht zu beschreiben. Da liegt es meterweit nur Bruchstücke, eines neben dem andern. 
Akte in der Größe meiner Hand und größer ... aber nur Stücke, kaum einer ganz: oft nur ein Stück Arm, ein Stück Bein, wie sie so nebeneinanderhergehen, und das Stück Leib, das ganz nahe dazu gehört. 

Einmal der Torso einer Figur mit dem Kopf einer anderen an sich angepreßt, mit dem Arm einer dritten .... 
als wäre ein unsäglicher Sturm, eine Zerstörung ohnegleichen über dieses Werk gegangen. 
Und doch, je näher man zusieht, desto tiefer fühlt man, daß alles das weniger ganz wäre, wenn die einzelnen Körper ganz wären. Jeder dieser Brocken ist von einer so eminenten ergreifenden Einheit, so allein möglich, so gar nicht der Ergänzung bedürftig, daß man vergißt, daß es nur Teile und oft Teile von verschiedenen Körpern sind, die da so leidenschaftlich aneinanderhängen. 
Man fühlt plötzlich, daß es mehr Sache des Gelehrten ist, den Körper als Ganzes zu fassen - und vielmehr des Künstlers, aus den Teilen neue Verbindungen zu schaffen, neue, größere, gesetzmäßigere Einheiten .... ewigere .... Und dieser Reichtum, diese unendliche, fortwährende Erfindung, diese Geistesgegenwart, Reinheit und Vehemenz des Ausdrucks, diese Unerschöpflichkeit, diese Jugend, dieses immer noch Etwas, immer noch das Beste zu sagen haben .... Das ist ohnegleichen in der Geschichte der Menschen. 

Dann sind Tische, selles, Kommoden .... ganz bedeckt mit kleinen Stücken - goldbraun und ockergelb gebrannten Tons. Arme nicht größer als mein kleiner Finger, aber von einem Leben erfüllt, das einem das Herz klopfen macht. 

Hände, die man mit einem Zehnpfennigstück zudecken kann, und doch von einer Fülle des Wissens erfüllt, ganz genau determiniert und doch nicht kleinlich .... als hätte ein Riese sie unermeßlich groß gemacht: - 
so macht dieser Mensch sie in seinen Verhältnissen. Er ist so groß; wenn er sie ganz klein macht, so klein er kann, sind sie immer noch größer als die Menschen .... bei diesen kleinen Dingen, die überall sind und die man in die Hand nehmen kann, ging es mir ähnlich wie damals in Petersburg vor der kleinen Venus aus den Ausgrabungen .... 
Davon ist hundert und hundert da, nicht ein Stückchen dem anderen - jedes eine Empfindung, jedes ein Stück Liebe, Hingabe, Güte und Forschung. Ich war in Meudon bis gegen 3 Uhr. 
Rodin kam von Zeit zu Zeit zu mir, fragte und sagte manches, nichts Wichtiges. 
Die Grenze der Sprache ist zu groß. Ich habe ihm heute meine Gedichte gebracht - wenn er sie doch lesen könnte .... Ich denke jetzt, daß das Jüngste Gericht ihm etwas sein müßte. 
Er blätterte sie sehr aufmerksam durch. 
Die Ausstattung überraschte ihn, glaub ich, besonders beim Buch der Bilder. 
Und da stehn nun diese dummen Sprachen hilflos wie zwei Brücken, die nebeneinander über denselben Fluß gehen, aber durch einen Abgrund voneinander getrennt sind. Es ist nur eine Bagatelle, ein Zufall, und es trennt doch ....

Nach 12 bat Rodin mich zum déjeuner, das wurde im Freien eingenommen; es war sehr seltsam. 
Madame Rodin (ich hatte sie schon vorher gesehen - er stellte mich nicht vor) sah müde, gereizt und nervös und nachlässig aus. Mir gegenüber saß ein französischer Herr mit einer roten Nase, dem ich auch nicht vorgestellt wurde. - Neben mir ein kleines. sehr liebes Mädchen von etwa 10 Jahren (von der ich auch nicht erfuhr, wer sie ist...). Kaum hatte man sich gesetzt, - so beklagte sich Rodin über die Unpünktlichkeit des Essens; er war schon ausgezogen, um zur Stadt zu fahren. 
Darauf wurde Mme Rodin sehr nervös. Comment, sagte sie, puis-je être partout? Disez-le à Madelaine (wahrscheinlich die Köchin), und nun kam eine Flut hastiger und heftiger Worte aus ihrem Munde, die nicht eigentlich böse klangen, nicht häßlich, aber wie von einem schwer gekränkten Menschen, dessen Nerven alle im nächsten Augenblick springen werden. Eine Unruhe kam in ihren ganzen Körper - sie begann alle Dinge auf dem Tische ein wenig zu schleudern, so daß es aussah, als wäre man schon nach Tisch. 
Alles, was so ordentlich bereitgelegen hatte, war, wie nach der Mahlzeit, irgendwo verstreut liegen geblieben. Diese Szene war nicht peinlich, nur traurig. 

Rodin war ganz ruhig, sprach sehr ruhig weiter, weshalb er sich beklagte, motivierte seine Klage ganz genau, sprach sanft und unbeugsam zugleich. Endlich kam ein ziemlich schmutziger Mensch, brachte einige Sachen (die gut zubereitet waren), trug sie herum undnötigte mich, wenn ich nicht wollte, mit sehr gutmütiger Art zuzugreifen: er hielt mich offenbar für äußerst schüchtern. Ich habe noch kaum je ein so seltsames déjeuner mitgemacht. Rodin war ziemlich gesprächig, - sprach manchmal sehr rasch, daß ich es nicht verstand, meist aber deutlich. Ich erzählte von Worpswede - von den Malern (von denen er nichts wußte); er kannte, soviel ich sah, nur Liebermann und Lenbach - als Illustrator .... 

Das Gespräch war nicht konventionell, auch nicht anders, so irgendwie. Manchmal nahm Madame auch teil, stets sehr nervös und leidenschaftlich redend. Sie hat graue Locken, dunkle, tiefliegende Augen, sieht mager, nachlässig, müde und alt aus, von irgendwas gequält. Nach Tisch sprach sie sehr freundlich zu mir - erst jetzt als Hausfrau -, lud mich ein, immer wenn ich in Meudon wäre, am déjeuner teilzunehmen etc. Morgen gleich früh gehe ich wieder hinaus und vielleicht noch einige Tage: es ist unendlich viel. Es strengt aber furchtbar an - erstens wegen der Menge, zweitens weil alles weiß ist; man geht unter den vielen blendenden Gipsen in dem ganz hellen Pavillon wie im Schnee umher. Meine Augen schmerzen mich, meine Hände auch....

....

im nächsten Post: PARIS.
Rainer Maria Rilke in Paris - Oktober 1902-März 1903, Mai- Ende Juni 1903: 3, rue de l'Abbé -de- l'Epée

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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Bis die Sonne wieder scheint

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Rainer Maria Rilke
Gedicht

Rainer Maria Rilke Juni 1919

Bis die Sonne wieder scheint

Rainer Maria Rilke


Am Bett des kranken Kindes
mit Sorg' und Müh' durchwacht
hat liebevoll die Mutter
schon manche schwere Nacht.
Sie lauscht den Atemzügen,
befühlt die Stirne heiss
des armen, kranken Kindes
und betet still und leis.
Da fährt aus seinen Kissen
das Kind in Fieberglut:
»O lass mich auf die Wiese,
dort ist es gar so gut.
Lass mich zu den Gespielen,
o lass, mein Mütterlein,
nicht immer hier im Bette
allein und krank mich sein!« —
Da streichelt es die Mutter
so tröstend zart und meint:
»Bis morgen, süsser Engel,
die Sonne wieder scheint.«
Und bald darauf im Osten
glüht schon das Morgenrot; —
die Mutter lehnt am Bette,
das kranke Kind ist tot!—
Nun hat sie keine Tränen —
sieht alles fahl und leer. —
die Vöglein zwitschern leise —
sie hört sie nimmermehr. —
Die Sonne lächelt wieder,
und wie sie's gut auch meint,
wer weiss, ob je der Armen
die Sonne wieder scheint!


Drei Monde sind vergangen.
Um ihr geliebtes Kind
wohl weinte sich die Mutter
schon krank und matt und blind.
Mit lichtesmüden Augen
sitzt sie fortan und weint:
»Ich wusst' es, dass mir niemals
die Sonne wieder scheint!« —

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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Blätter wären es genug

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Rainer Maria Rilke
Gedichte


Du teilst, was uns betrübt. Doch wenn
dir selbst etwas geschieht, wir wissens nicht.
Man müsste hundert Schmetterlinge
sein, um deine vielen Seiten zu erkennen.
Einzelne von euch sind wie ein Wörterbuch,
und wer solche sammelt, möchte sie gern binden;
Blätter wären es genug.
Ich aber liebe Rosen-Briefe.

Rainer Maria Rilke 


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Improvisationen aus dem Capreser Winter.

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Rainer Maria Rilke




[I]

Täglich stehst du mir steil vor dem Herzen,
Gebirge, Gestein,
Wildnis, Un-weg: Gott, in dem ich allein
steige und falle und irre..., täglich in mein
gestern Gegangenes wieder hinein
kreisend.
Weisend greift mich manchmal am Kreuzweg der Wind,
wirft mich hin, wo ein Pfad beginnt,
oder es trinkt mich ein Weg im Stillen.
Aber dein unbewältigter Willen
zieht die Pfade zusamm wie Alaun,
bis sie, als alte haltlose Rillen,
sich verlieren ins Abgrundsgraun...

Laß mich, laß mich, die Augen geschlossen,
wie mit verschluckten Augen, laß
mich, den Rücken an den Kolossen,
warten, an deinem Rande, daß
dieser Schwindel, mit dem ich verrinne
meine hingerissenen Sinne
wieder an ihre Stelle legt.
Regt sich denn Alles in mir? Ist kein Festes,
das bestünde auf seines Gewichts
Anrecht? Mein Bangestes und mein Bestes...
Und der Wirbel nimmt es wie nichts
mit in die Tiefen....

Gesicht, mein Gesicht:
Wessen bist du? Für was für Dinge
bist du Gesicht?
Wie kannst du Gesicht sein für so ein Innen,
drin sich immerfort das Beginnen
mit dem Zerfließen zu etwas ballt.
Hat der Wald ein Gesicht?
Steht der Berge Basalt
gesichtlos nicht da?
Hebt sich das Meer
nicht ohne Gesicht
aus dem Meergrund her?
Spiegelt sich nicht der Himmel drin,
ohne Stirn, ohne Mund, ohne Kinn?

Kommen einem die Tiere nicht
manchmal, als bäten sie: Nimm mein Gesicht?
Ihr Gesicht ist ihnen zu schwer,
und sie halten mit ihm ihr klein-
wenig Seele zu weit hinein
ins Leben. Und wir?
Tiere der Seele, verstört
von allem in uns, noch nicht
fertig zu nichts, wir weidenden
Seelen,
flehen wir zu dem Bescheidenden
nächtens nicht um das Nicht-Gesicht,
das zu unserem Dunkel gehört?

Mein Dunkel, mein Dunkel, da steh ich mit dir,
und alles geht draußen vorbei;
und ich wollte, mir wüchse, wie einem Tier,
eine Stimme, ein einziger Schrei
für alles -. Denn was soll mir die Zahl
der Worte, die kommen und fliehn,
wenn ein Vogellaut, vieltausendmal,
geschrien und wieder geschrien,
ein winziges Herz so weit macht und eins
mit dem Herzen der Luft, mit dem Herzen des Hains
und so hell und so hörbar für Ihn.... :
Der immer wieder, sooft es tagt,
aufsteigt: Steilstes Gestein.
Und türm ich mein Herz auf mein Hirn und mein
Sehnen darauf und mein Einsamsein:
Wie bleibt das klein,
weil Er es überragt.

[II]

Wie wenn ich, unter Hundertem, mein Herz,
das überhäufte, lebend wiederfände,
und wieder nähm ich es in meine Hände,
es findend unter Hundertem, mein Herz:
Und hübe es hinaus aus mir, in das,
was draußen ist, in grauen Morgenregen,
dem Tage hin, der sich auf langen Wegen
besinnt und wandelt ohne Unterlaß,
oder an Abenden, der Nacht entgegen
der nahenden, der klaren Karitas...

Und hielte es, soweit ich kann, hinein
in Wind und Stille; wenn ich nicht mehr kann,
nimmst du es dann?
Oh nimm es, pflanz es ein!
Nein, wirf es nur auf Felsen, auf Granit,
wohin es fällt; sobald es dir entfallen,
wird es schon treiben und wird Wurzelkrallen
einschlagen in das härteste von allen
Gebirgen, welches sich dem Jahr entzieht.
Und treibt es nicht, ist es nicht jung genug,
wird es allmählich von dem Höhenzug
die Art und Farbe lernen vom Gestein
und wird daliegen unter seinen Splittern,
mit ihm verwachsen und mit ihm verwittern
und mit ihm stehen in den Sturm hinein.

Und willst du's niederlassen in den Grund
der dumpfen Meere, unter Muschelschalen,
wer weiß, ob nicht aus seinem Röhrenmund
ein Tier sich streckt, das dich mit seinen Strahlen
zu fassen sucht und einzuziehen
und mit dir zu schlafen.

..... Laß nur irgendwo
es eine Stelle finden und nicht so
im Raume sein, dem deine Sterne kaum
genügen können. Sieh, es fällt im Raum.

Du sollst es ja nicht, wie das Herz von Tieren,
in deiner Hand behalten, Nacht und Tag;
wenn es nur eine Weile drinnen lag!
Du konntest in den dürftigsten Verschlag
die Herzen deiner Heiligen verlieren,
sie blühten drin und brachten dir Ertrag.
....
Du freier, unbegreiflicher Verschwender,
da jagst du, wie im Sprung, an mir vorbei.
Du heller Hirsch! Du alter Hundert-Ender!
Und immer wieder wirfst du ein Geweih
von deinem Haupte ab und flüchtest leichter
durch deine Jäger, (wie dich alles trägt!)
Sie aber sehen nur, du Unerreichter,
daß hinter dir die Welt zusammenschlägt.

[III]

So viele Dinge liegen aufgerissen
von raschen Händen, die sich auf der Suche
nach dir verspäteten: Sie wollten wissen.

Und manchmal ist in einem alten Buche
ein unbegreiflich Dunkles angestrichen.
Da warst du einst. Wo bist du hin entwichen?

Hielt einer dich, so hast du ihn zerbrochen,
sein Herz blieb offen, und du warst nicht drin;
hat je ein Redender zu dir gesprochen,
so war es atemlos: Wo gehst du hin?

Auch mir geschahs. Nur, daß ich dich nicht frage.
Ich diene nur und dränge dich um nichts.
Ich halte, wartend, meines Angesichts
williges Schauen in den Wind der Tage
und klage den Nächten nicht....
(Da ich sie wissen seh)

Rainer Maria Rilke
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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Eugène Carrière

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Rainer Maria Rilke
Aus meinem Sudelbüchle
Eugène Carrière



Selbstportrait
Eugène Carrière
Aus Rilkes Pariser Zeit bei Auguste Rodin dem Freund Eugène Carrières.

Rainer Maria Rilke bittet Auguste Rodin um einführende Zeilen an 

Eugene Carriere. Das War im September 1902.


In Rodins Atelier in Meudon hingen neun seiner Bilder - Zeugnisse einer engagierten Freundschaft. Rodin vertraute Carriere die Gestaltung des Plakates für seine legendäre Pariser Ausstellung von 1900 an, eine Gegenveranstaltung zur Weltausstellung.
Die lithographische Darstellung ist eine Interpretation der Kunst Rodins. Sie zeigt den Schöpfungsakt als nächtliche, faustische Szene, das Modellieren einer Figur als magische Beschwörung. 

Wer war Eugene Carriere
und was interessierte Rainer Maria Rilke an dieser Person?


Zuerst Rilke war mit großer Absicht an einem kennenlernen Eugene Carrieres interessiert. 
Wie man weiß hatte Rilke in Prag (1895) ja Literatur und Kunstgeschichte  studiert - (auch Philosophie, 1896 nahm er in München das Studium der Philosophie auf, hier nur am Rande beschrieben)  und Eugene Carriere war eine "Künstler" Persönlichkeit die Rilke interessierte, zumal er ein berühmtes Portrait Paul Verlaines gemalt hatte, das zu den bekanntesten Werken Eugene Carrieres gehört. 

Die Bibel, Goethes Werke, Werke Verlaines etc. gehörten zu Rilkes literarischer Grundausstattung.


Er war also Maler, der Eugene Carriere,
der nicht nur Paul Verlaine malte, sondern auch Portraits von Georges Clemenceau, Isadora Duncan und vielen anderen berühmten zeitgenössischen Künstlern. 
Deshalb war er für Rainer Maria Rilke von großem Interesse.

Portrait von Paul Verlaine, 1890, Eugène Carrières berühmtes Portrait.
Der Erfolg begann sich für Eugène Carrière spät, so ab 1889 einzustellen, als er als 40ig Jähriger im Pariser Salon einen Kunstpreis gewann und eigene Ausstellungen erhielt. 
Zu dieser Zeit hatte er, der zuvor eher farbenfrohe Bilder malte, zu dem typischen Stil gefunden, für den er heute bekannt ist. 

In den folgenden Jahren gehörte Carrière zu den bekanntesten französischen Malern seiner Zeit. Er malte viele Portraits von Berühmtheiten seiner Zeit, zu seinen Freunden gehörten neben Auguste Rodin auch Paul Gauguin und Edmond de Goncourt.


Für Rainer Maria Rilke, 
für kurze Zeit Sekretär Rodins , war Eugène Carrière "die" eindrucksvollste Figur im Umkreis des Bildhauers. 

Am 8. April 1903 schreibt Rilke an Clara Rilke:
"Soviel ist sicher, daß ich zunächst wieder nach Paris kommen werde, vielleicht, um das Carriere-Buch zu schreiben."»Es ist mir immer als ob mir Paris  noch eine Arbeit schenken müsste.«

Eugène Carrière - 
Um 1900 war das Werk des Malers mehrfach in München, anschließend auch in der Berliner Secession und in Dresden ausgestellt und nicht nur das erweckte Rilkes Interesse, er sah auch ein Geschäft, die Möglichkeit etwas zu verdienen. [ Aus und über Rilkes Absicht, ein Buch über Carrière zu schreiben, im Brief an Clara Rilke, Viareggio 8.4.1903.]

Daher und mit das Interesse Rilkes an Eugène Carrière.

Rainer Maria Rilke dachte über den berühmten Maler ein Buch zu schreiben.
Jedoch  am 27. März 1906 starb Eugène Carrière nach längerer Krankheit an Kehlkopfkrebs.

Bei seinem Begräbnis, bei dem sein Freund Auguste Rodin die Grabrede hielt, war ein Großteil der Pariser Künstlergemeinde versammelt. Das war ungefähr ein halbes Jahr nach dem Zusammentreffen Rilkes und Rodins an einem Septembersonntag des Jahres 1905 in Paris, bei denen Rodin und Rilke den Schriftsteller Charles Morice und Eugène Carrière trafen.

Eugène Carrière,
.... siehe mein Blog Semsakrebsler : Eugene Carriere.

 -- Sudelbüchle.

Hier Bilder aus meinem "Sudelbüchle", was nichts anderes als meine Notizbüchlein, 
in die schnell etwas hineingeschrieben oder vermerkt werden, ist. 
Sudelbüchle verwend ich seit meiner Jugend um Gedanken etc. zu notieren. Früher war das bei uns üblich.

Der Begriff Sudelbuch aber stammt nicht von mir selbst, sondern aus der Kaufmannssprche, also von Kaufleuten. 
Ein Sudelbuch ist ein Buch, in dem schmutzig und schnell Notizen gemacht werden, bevor sie in das Reine übertragen werden.  Historisch belegt sind sie von den Kaufleuten, die in das "Waste Book" schnell An- und Verkaufsnotizen machten, bevor sie in die Journale übertragen wurden. 

Besonders bekannt geworden sind die Sudelbücher von Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), der hier Aphoristisches und Alltägliches in loser Folge niederschrieb. 
Ebenso, in dieser Tradition verfasste auch Kurt Tucholsky im Zeitraum von 1928 bis 1935 ein solches Sudelbuch mit sprachlichen Einfällen, witzigen Äußerungen anderer Personen und Bemerkungen, welches posthum veröffentlicht wurde.

Aus meinem Sudelbüchle. 11/2013, die Seiten sind stark verkleinert zusammengefasste Notizen.

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Erzählungen | Der Dreiklang

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Rainer Maria Rilke
ERZÄHLUNGEN
Der Dreiklang in 2 Akten

Lou Albert Lasard Portrait Rilkes.
Der Dreiklang 

Alle Welt hatte den Kopf geschüttelt damals als Dr. M..... die achtzehnjährige Baronesse zum Weibe genommen. - "Thut nicht gut" hatten kluge Leute gemunkelt. Er an die sechzig und - sie?...
Ob sie damals Recht hatten, diese Klugen?
Lange sprach niemand mehr darüber. Die Vermählung des greisen Schriftstellers ward vollzogen und die bösen Zungen kamen umso früher zu Ruhe, zumal sich M..... mit seiner Adda aus dem Bannkreise der lästigen Beobachtung auf ein kleines Landgut zurückgezogen hatte.
Heute war sein Name wieder in Aller Munde. Ein neues Stück M´s. sollte abends im Residenztheater über die Bretter gehen. Große Anzeigen leuchteten an den Ecken. Der Name des Autors hatte guten Klang, und das Haus versprach übervoll zu werden.
Die Klügsten der Klugen aber standen schon am Vormittage an den Ecken beisammen und riethen her und hin, was man nach dem Titel von dem Drama zu erwarten hätte. Der war sonderbar genug:

"Der Dreiklang" 

stand in ungeheuren schwarzen Lettern über dem Personenverzeichnisse. Und erst die Personen! Er, sie, ein Hausfreund..........
Ja, die Klugen sind halt überaus scharfsichtig.

___________

Zweiter Act, dritte Scene:

Der Gatte: .......................und du liebst ihn, Irma?
Sie: (Gattin): offen - ja!
Er: Gut, dass du so offen bist.
Sie: Du verdienst es;  belügen werde ich dich nie!
Er: Diese Wahrheit schmerzt. Freilich - ich hätte bedenken sollen, als ich dich heiratete: du bist jung und - ich.......
Sie: Nicht doch. - Du handeltest damals ganz recht. Ich will mich nicht von dir lossagen; ich vermöchte es nicht; - denn..... denn.....ich (zögernd) ich schätze - dich.
Er:  Mein Kind......
Sie: Du sagtest mir oft: Ich könnte nicht ohne Dich sein, Irma, du verstehst mich; du bist mir geistig ebenbürtig.
Er: Du bist es 
Sie: Wohl - nun höre: Lass mich geistig dein Weib sein - geistig - begreifst du? --- und meinen Leib.........
Er: (entsetzt) Irma!
Sie: Was erschrickst du? Ich gebe Dir mein besseres Theil.
Er: (bebend) Irma! 
Sie: (ohne aufzuhorchen) Den Geist, das Göttliche, Ewige Dir, Mann, Dir!
Er: (zögernd) und jenem?
Sie: Die sündige, eitle Lust, der der Ekel folgt auf den Fersen....
Er: Mir schaudert vor dir.
Sie: (Näher tretend) Freund, mein Gedanke ist groß. Wie viel Elend, wie viel geheimer Frevel würde aus der Welt schwinden, wenn alle ihn zu denken imstande wären.
Er: Nein, Weib, du sprichst im Wahn - (steigernd) entweder bist du mein mit Leib und Selle mein, - (schreiend) mein!.....
Sie: (kalt) Bezähme Dich!
Er: Aber....
Sie: Ich hielt Dich für größer. So bist auch du, du den Europa zu den Leuchten des Wissens zählt, von dieser läppischen Kleinlichkeit befangen, die Geist und Körper immer auf einen Rahmen spannt? Dass ich dir doch die Augen öffnen könnte!
Er: (sieht sie starr an)
Sie: Ha, ich sehe du fühlst die gigantische Wucht meines Riesenplanes.
Er: (macht eine Gegenbewegung)
Sie: Ich weiß was du sagen willst. Dies Verhältnis ist gegen die Natur. Nichtwahr, das schwebte Dir auf den Lippen?
Wie kurzsichtig du bist? Thor bei all deiner Weisheit. Blick hinaus! Dem einen Strauche hat die Natur bloß Blüten gegeben, holde, keusche, duftige Triebe; - bei anderen fallen die Blumenblättchen bald ab und es drängt die brutal, sinnliche Frucht hervor. - Ist es im Leben anders? Den Einen, den großen, ewig-keuschen Kindern, den Künstlern, sollen nur Blüten zu eigen sein. Geistige Keime nur, unsterbliche Triebe sollen in ihrer reinen Seele enstehen und sich emporheben in ein sonniges, seliges Dasein. Dem thierischen Gezücht aber, dem kommt die Frucht zu, die gemeine berauschende Frucht. Kind du! Mit den großen, träumerischen Augen, in denen tausend Ideale schimmern - weißhaariges Kind, du ertrügst ihn ja gar nicht den zerstörenden, wüthenden Brand der sinnlichen Liebe. 
Er: (nachdenklich) Vielleicht ..... aber warum kannst du, die du mir ebenbürtig bist im Geiste nicht auch wie ich so.... so...
Sie: So geistig - willst du sagen - ausharren? Warum? Weil das Weib ein Doppelwesen ist von Natur göttlich und hündisch zugleich.- Unsere Seele bleibt rein , wenn die süße Begierde im Feuer der Sünde schmilzt, und das grässliche Gift der berückenden Lust besudelt nicht den Geist des schwachen, bebenden Weibes. Zu geilem Genuss hat die Natur uns gemacht, aber die eigene Kraft verlieh uns die bessere Seele.
Das Weib ist ein Buch, Bibelsprüche stehen drin, aber der Einband ist mit den Farben der Sünde bemalt. Hast du denn in keinem der tausend Bücher die du gelesen und wieder gelesen Aufklärung gefunden über dieses Doppelding, dieses Zwitterwesen?
Er: Wenn dem so wäre?
Sie: Zweifelst du noch? Es ist so. - Mein Geist haftet an Deinem, ein unsichtbares Moospflänzchen am riesigen Stamme, mein Leib, mein vergängliches Leben an jenem jungen, glutäugigen Tollkopf.   Er: Aber Irma - ich liebe Dich...
Sie: ...und weil du mich liebst, musst du mich begreifen.
Er: ...Gott!
Sie: Denn weil du mich liebst, darfst du mich nicht tödten, - und du tödtest mich - wenn........
Er: (kleinlaut) Aber geistig, geistig bist du - mein!
Sie: (mit Pathos) Immer! - So bist du gut, so erkenn ich den Weisen, der erhaben steht über dieser verblendeten Welt! Dank! Das wird ein göttliches Dasein! Du, er, ich - zwischen euch beiden - dein und ihm gehörig an der Schwelle zweier Welten: hier Licht, dort Dunkel; hier Weisheit, dort Verblendung! - Du - Halbgott! - ich und jener ein unbeschreiblicher Bund. Alle Triebe, die das Leben durchpulsen feindlich und zürnend - in uns versöhnt in einem weltendurchtönenden, dröhnenden, herrlichen Dreiklang!...........

___________


Applaus, Applaus, Applaus! -


"Neu, herrlich, kraftvoll...." allgemeines Urthe<i>l.
Die Klugen aber munkelten in den Couloirs: "Sonderbar, sonderbar dieses Stück!"
"Und hast du gesehen" - flüsterte ein junger Mann laut genug - wie bleich M....... war, wie greisenhaft; wie leer und glanzlos seine Augen. Adda dagegen das reine Leben. Sie kümmerte sich wenig um ihn, aber sie sprach unablässig nach rückwärts - und lachte." Im Hintergrunde der Loge war ein junger Mann gesessen. Niemand kannte ihn.
"Sonderbar, sonderbar."
Und die Gruppen lösten sich.

____________   

Am nächsten Morgen brachten die Tagesblätter lange Besprechungen über M´s Drama. Auf der letzten Seite des Hauptblattes aber war in gesperrten Lettern zu lesen:
"Wie uns eben von S. telephoniert wird, ist der große M. heute nachts einem Schlaganfall erlegen. Diese jähe Trauerkunde wird allenthalben Schrecken und Theilnahme hervorrufen. Die Ärzte, welche nurmehr den Tod des greisen Meisters constatieren konnte<n>, meinten, dass gerade die freudige Erregung des gestrigen Abends dem Verewigten gefährlich geworden. Wie wir vernehmen blieb M....... nach der Vorstellung  noch im Kreise seiner Familie bis gegen Mitternacht und sprach freudig über den Erfolg seines Werkes; wer hätte geahnt, dass es sein letztes sein werde - "Der Dreiklang".-

___________ 

Ende.




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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Nachthimmel und Sternenfall

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Rainer Maria Rilke
Gedichte



Rainer Maria Rilke
Der Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung,
ein Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt.
Und wir, zu ferne für die Angestaltung,
zu nahe für die Abkehr hingestellt.

Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn,
bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen:
Was ist begonnen, und was ist verflossen?

Was ist verschuldet? Und was ist verziehn?

Rainer Maria Rilke
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Rainer Maria Rilke . 1875-1926
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Sieben Entwürfe aus dem Wallis  ....

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Rainer Maria Rilke
Sieben Entwürfe aus dem  Wallis
oder das kleine Weinjahr
Gedichte

Geschrieben für den Freund und Gast-Freund,
als (1923)

1

LE souvenir de la neige 
d'un jour à l'autre s'efface; 
la terre blonde et beige 
réapparaît à sa place.

Une bêche alerte
déjà (écoute!) opère; 
on se rappelle que verte
est la couleur qu'on préfère.

Sur les coteaux on aligne 
tantôt un tendre treillage; 
donnez la main à la vigne 
qui vous connaît et s'engage.


2

Dumpfe Erde: Wie hieß es, ihr jeden 
Stein entringen als wie aus Fäusten; 
aber die raschesten kamen, die neusten 
Wasser kamen sie überreden.

Redeten zu aus der drängendsten Nähe, 
nannten sie ausgeruht, nannten sie gut, 
kühlten das Zornige, lösten das Zähe, 
machten sie willig und wohlgemut.

Und nun sieh, wie die Wege umschwingen, 
was da gelang: Wie das Band einen Hut. 
Leise gedeiht das gelockte Gelingen, 
von zustimmenden Himmeln umruht.


3

Wie er spart, der Wein. Kaum glüht die Blüte. 
Nur ein Zukunftsduft wird leise frei. 
So, als ob das Erdreich, das bemühte, 
abergläubisch im Versprechen sei.

Wie der Künstler nicht, was ihm gelänge, 
seinem Werk voraus versprechen mag, - 
halten sich die überglückten Hänge 
schräg und träge in den reinen Tag.


4

So wie Jakob mit dem Engel rang
ringt der Weinstock mit dem Sonnen-Riesen, 
diesen großen Sommertag und diesen 
Tag im Herbst, bis an den Untergang.

Der gelockte schöne Weinstock ringt. 
Aber abends, langsam losgelassen,
fühlt er, wie aus dem Herüberfassen 
jener Arme ihn die Kraft durchdringt,

wider die er, wie ein Knabe, drängte;
ganz gemischt mit seinem Widerstand, 
wird sie nun in ihm das Unumschränkte ... 
Und der Sieg bleibt rein und unerkannt.


5

.................. 
Lächeln...., Beinah Gesicht 
dieser gelockten Gelände. 
Leiber aus Trauben, grüne 
Hände, die blättern im Licht.

Als wär ein göttliches Bild 
vergraben unter den Reben,
um sich zu geben durch Masken, 
verteilt und gewillt ...... 

6

Weinbergstraßen, wie Manuale: 
Sonnenanschlag den ganzen Tag.
Dann von der gebenden Rebe zur Schale 
überklingender Übertrag.

Schließlich Gehör in empfangenden Munden
für den vollendeten Traubenton.
Wovon ward die tragende Landschaft entbunden? 
Fühl ich die Tochter? Erkenn ich den Sohn?

7

Comme aux Saintes-Maries, là-bas,
dans l'indescriptible tourmente, 
celui qui d'un coup se vante 
d'etre guéri, s'en va, 
jetant sa béquille ardente: 
ainsi la vigne, absente 
a jeté ses échalas.

Tant de béquilles qui gisent 
grises sur la terre grise;
le rniracle est donc accompli?

Où est-elle, la vigne? Elle marche,
elle danse sans doute devant l'arche ...


Heureux ceux qui l'auront suivie!

Rainer Maria Rilke


Geschrieben N0vember / Dezember 1923, das 1. und 7. (letzte Gedicht) in
französischer Sprache, für Werner Reinhart, Rilkes "Gönner - Mäzen".
....
Alma Moodie, Rainer Maria Rilke, Werner Reinhart.
Werner Reinhart, Alma Moodie, Rainer Maria Rilke.
Werner Reinhart 
geboren *19.3.1884 Winterthur,
gestorben †29.8.1951 Winterthur, war ein Schweizer Industrieller und Mäzen.

Sohn des Theodor Reinhart, 
Bruder von Georg, Hans und Oskar Reinhart.
Ledig. Kaufmännische Ausbildung in Neuenburg, Paris, London und Indien. 

1912-19 Teilhaber der Handelsfirma Gebrüder Volkart
diese waren bis 1989 viertgrößte Baumwollhändler der Welt.

Werner Reinhart war primär Förderer, Gönner, Mäzän von Musikern  wie 
Clara Haskil, Alma Moodie, Ernest Ansermet, Hermann Scherchen, Adolf und Fritz Busch und Komponisten u.a. Othmar Schoeck, Igor Strawinsky, Paul Hindemith,
Arthur Honegger, Alban Berg, Anton von Webern, aber auch von bildenden Künstlern wie 
Alice Bailly, René Auberjonois und Schriftstellern, so von Rainer Maria Rilke
dem er das Schloss Muzot bei Siders zur Verfügung stellte. 
Sein Wohnhaus Rychenberg in Winterthur vermachte er dem Musikkollegium als Musikschule. 1937-1951 Quästor der Schweiz. Schillerstiftung. 
1932 erhielt er den Doktortitel, Dr. h.c. der Universität Zürich. 
[ Universität Zürich, ETH Zürich. ]


Chateau Muzot.
Quelle Wikipedia und
Rainer Maria Rilke, Briefwechsel mit den Brüdern Reinhart, 1919-1926, 
herausgegeben von Rätus Luck, 1988.
Rätus Luck - Suhrkamp Verlag.


[Gebrüder Volkart]
Durch die Heirat von Lilly Volkart mit Theodor Reinhart gelangte das Geschäft 1912 in die Hände der Familie Reinhart, die die Geschicke des Handelshauses noch bis heute lenkt. 
1926 konnte das Unternehmen bereits 80 Zweigstellen in Indien verzeichnen und war damit quasi Repräsentant der Schweiz in Indien. 

Zwei Söhne von Theodor, Oskar und Werner, waren später auch am Unternehmen beteiligt und haben sich des Weiteren, wie bereits ihr Vater, auch als Mäzen einen Namen gemacht. 
1985 übernahm Andreas Reinhart das Unternehmen in der fünften Generation und wurde durch Auskauf der übrigen Familienmitglieder der alleinige Besitzer des Unternehmens. 
In der Folge begann er eine rege Investitions- und Beteiligungspolitik, die aber grösstenteils fehlschlug und so auch das Unternehmen schwächte. Des Weiteren verstärkte er das Engagement im kulturellen Bereich, wo das Unternehmen heute einige Stiftungen unterhält, massgeblich an der Gründung des Fotomuseum Winterthur beteiligt war und auch im Kunstbereich engagiert ist.

1989 verkaufte das Unternehmen seinen Kaffeehandel an die Erb-Gruppe, das Kaffeegeschäft firmiert seither unter dem Namen Volcafe, der an den Ursprung erinnert. 
Bis zum Ausstieg aus dem Baumwollhandel 1999 war das Handelshaus Volkart weltweit der viertgrösste Baumwollhändler. 
Ebenfalls bis 1999 hatte das Handelshaus eine Mehrheitsbeteiligung am 1951 mitgegründeten Suhrkamp-Verlag. Die Website des Volkart-Unternehmens verweist heute nur noch auf die diversen Stiftungen, eine eigene Geschäftstätigkeit – abgesehen von diversen Beteiligungen – besitzt das ehemalige grosse Handelsunternehmen nicht mehr.

Rainer Maria Rilke . 1875-1926
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.

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