Quantcast
Channel: RAINER MARIA RILKE . 1875-1926
Viewing all 751 articles
Browse latest View live

Schau, unsre Tage sind so eng

$
0
0
Rainer Maria Rilke



Lou Albert Lasard, Portrait  vonRainer Maria Rilke



Schau, unsre Tage sind so eng
und bang das Nachtgemach;
wir langen alle ungelenk
den roten Rosen nach.

Du musst uns milde sein, Marie,
wir blühn aus deinem Blut,
und du allein kannst wissen, wie
so weh die Sehnsucht tut;

du hast ja dieses Mädchenweh
der Seele selbst erkannt:
sie fühlt sich an wie Weihnachtsschnee,
und steht doch ganz in Brand...


Rainer Maria Rilke

5.5.1898, Florenz (Cascine)




. Florenz [W]


Der Reiseführer Marco Polo 
schreibt zu Parco delle Cascine :

Der 1,6 km2 große Park liegt auf einer Landzunge zwischen den Flüssen Arno und Mugnone. Hier befindet sich das Ippodromo del Visarno, die Pferderennbahn von Florenz, mit Reitwegen, Arenen und Sportstätten. 
Piazzale delle Cascine | Bus 12, 13, 17, 18, C3 | Tram 1 |



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Gedichte - Die Liebenden

$
0
0
Rainer Maria Rilke


Rainer Maria Rilke, Zeichnung der Rigauer Malerin, Anna Schewitz Hellman, 1905

Die Liebenden

Sieh, wie sie zu einander erwachsen:
In ihren Adern wird alles Geist. 
Ihre Gestalten beben wie Achsen, 
um die es heiß und hinreißend kreist. 
Dürstende, und sie bekommen zu trinken, 
wache und sieh: Sie bekommen zu sehn. 
Laß sie ineinander sinken, 
um einander zu überstehn.


*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Aus den Dichtungen des Michelangelo

$
0
0
Rainer Maria Rilke


Michelangelo

Selige, die ihr euch im Himmel freut
der Tränen, die die Erde nicht vergütet,
wird euch auch dort der Liebe Krieg erneut?
Seid ihr durch euren Tod davor behütet?
Die unsre ewige Ruh, aus aller Zeit
hinweggerückt, ist ganz befreit
von Liebesneid und ängstlichem Beklagen.
So muß ich, Lebender, zu unrecht, seht,
liebend und dienend
solche Schmerzen tragen.
Denn wenn der Himmel Liebende versteht,
die Erde aber undankt dem, der jetzt
die Liebe leistet: wozu bin ich da?
Um viel zu leben? Wie mich das entsetzt:
Wenig ist schon zuviel, geht einem nur sein Dienen

wirklich nah. 

Aus den Dichtungen des Michelangelo

Übertragen von Rainer Maria Rilke




*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Bilderbuch

$
0
0
Rainer Maria Rilke



Bilderbuch
Bilder seines Lebens

René Rilke um 1880

René der Piaristen Schüler. 1882


. Piaristen

. Rilkes Piaristenschule in Prag
1882, im Alter von sechs Jahren, besucht Rilke eine von Piaristen geleitete Volksschule im vornehmsten Viertel von Prag. „In dem Eckgebäude zwischen den Straßen Panská und Na Príkope war früher die deutsche Schule untergebracht, die von den Piaristen betrieben wurde und die auch Rilke besucht hat. 


*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay

Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Zum Einschlafen zu sagen

$
0
0
Rainer Maria Rilke





Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüßte: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf dich gelegt;
und sie halten dich sanft und lassen dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.


*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Dichtungen des Michelangelo

$
0
0
Rainer Maria Rilke



David, von Michelangelo, Detail, Kopf des David.

Wenn durch belebten Stein die Kunst vermag
ihr Antlitz Tag für Tag
im Gleichen hinzuhalten; sollte nicht
der Himmel erst, da sie von seiner Hand,
wie dies von meiner ist, so viel Bestand
ihr leihn, daß sie (nicht nur für mein Gesicht)
nicht menschlich mehr, als Göttin sich erhielte?
Und doch geht alles hin und währt nur kurz.
Mir scheint, daß ich im Wichtigsten verspielte,
wenn da ein Stein besteht nach ihrem Sturz.
Wer wird dies rächen? Einzig die Nat·ur.
Denn was sie wirkt, geht mit der Zeit; und nur,
was ihre Kinder wirken, hat hier Dauer. 


Aus 
Dichtungen des Michelangelo
Übertragen von Rainer Maria Rilke




*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Bilderbuch

$
0
0
Rainer Maria Rilke



. Bilderbuch
. Bilder seines Lebens.



Brautbild von Rilkes  Eltern


Die Elter von Rainer Maria Rilke waren: 


Josef Rilke, 1838-1906 

und Sophie (Phia) geborene Entz, 1851-1931.



Der Vater, Josef Rilke (1838–1906), 

war nach gescheiterter militärischer Karriere Bahnbeamter geworden. 

Die Familie stammte väterlicherseits aus Türmitz im Sudetenland. 

Die Mutter Rilkes, Sophie „Phia“ Entz (1851–1931), eine ebenso prätentiöse wie ehrgeizige Frau, entstammte einer wohlhabenden Prager Fabrikantenfamilie. 
Ihre Hoffnungen auf ein vornehmes Leben fand sie in ihrer Ehe nicht erfüllt. 
1884 brach die Ehe der Eltern auseinander.


Auch das Verhältnis zwischen der Mutter und dem einzigen Sohn war belastet, weil sie den frühen Tod der älteren Tochter nicht verkraftete, die 1874 – ein Jahr nach der Eheschließung – geboren wurde und nach einer Woche starb. 

Aus emotionaler Hilflosigkeit heraus band sie René – 

französisch für „der Wiedergeborene“ – an sich und drängte ihn in die Rolle seiner verstorbenen Schwester. 

Bis zu seinem sechsten Lebensjahr fand sich Rilke so als Mädchen erzogen, 

frühe Fotografien zeigen ihn mit langem Haar, im Kleidchen. Es kam wie oft im Leben ganz anders.

Der so genannt als Mädchen erzogene René sollte oder besser musste eine militärische Laufbahn einschlagen.  Auf Druck der Eltern besuchte der dichterisch und zeichnerisch begabte Junge ab 1885 eine Militärrealschule in St. Pölten zur Vorbereitung auf eine Offizierslaufbahn. 


Die Zumutungen militärischen Drills und die Erfahrungen einer reinen Männergesellschaft traumatisierten den zarten Knaben nachhaltig.




Skizze Rilkes, hier ein Gebäude aus Goisern, von Rilke als Mühle von Goisern benannt.

Als Gast einer Kusine vorbrachte Rilke Ende August 1896 kurze Ferien im Salzkammergut;
in jenen Jahren begleitete er seine Gedichtniederschriften im Taschenbuch mit Skizzen.

·‡·



Jugend-Bildnis meines Vaters


Im Auge Traum. Die Stirn wie in Berührung
mit etwas Fernem. Um den Mund enorm
viel Jugend, ungelächelte Verführung,
und vor der vollen schmückenden Verschnürung
der schlanken adeligen Uniform
der Säbelkorb und beide Hände -, die
abwarten, ruhig, zu nichts hingedrängt.
Und nun fast nicht mehr sichtbar: als ob sie
zuerst, die Fernes greifenden, verschwänden.
Und alles andre mit sich selbst verhängt
und ausgelöscht als ob wirs nicht verständen
und tief aus seiner eignen Tiefe trüb -.

Du schnell vergehendes Daguerreotyp
in meinen langsamer vergehenden Händen.



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926







Rilkes Familienwappen.





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Gedichte. Der Sohn

$
0
0
Rainer Maria Rilke



Der Sohn



Mein Vater war ein verbannter 
König von überm Meer. 
Ihm kam einmal ein Gesandter: 
sein Mantel war ein Panther, 
und sein Schwert war schwer. 

Mein Vater war wie immer 
ohne Helm und Hermelin; 
es dunkelte das Zimmer 
wie immer arm um ihn. 
Es zitterten seine Hände 
und waren blaß und leer, - 
in bilderlose Wände 
blicklos schaute er. 

Die Mutter ging im Garten 
und wandelte weiß im Grün, 
und wollte den Wind erwarten 
vor dem Abendglühn. 
Ich träumte, sie würde mich rufen, 
aber sie ging allein, - 
ließ mich vom Rande der Stufen 
horchen verhallenden Hufen 
und ins Haus hinein: 

Vater! Der fremde Gesandte...? 
Der reitet wieder im Wind... 
Was wollte der? Er erkannte 
dein blondes Haar, mein Kind. 
Vater! Wie war er gekleidet! 
Wie der Mantel von ihm floß! 
Geschmiedet und geschmeidet 
war Schulter, Brust und Roß. 
Er war eine Stimme im Stahle, 
er war ein Mann aus Nacht, - 
aber er hat eine schmale 
Krone mitgebracht. 
Sie klang bei jedem Schritte 
an sein sehr schweres Schwert, 
die Perle in ihrer Mitte 
ist viele Leben wert. 
Vom zornigen Ergreifen 
verbogen ist der Reifen, 
der oft gefallen war: 
es ist eine Kinderkrone, - 
denn Könige sind ohne; 
- gieb sie meinem Haar! 
Ich will sie manchmal tragen 
in Nächten, blaß vor Scham. 
Und will dir, Vater, sagen, 
woher der Gesandte kam. 
Was dort die Dinge gelten, 
ob steinern steht die Stadt, 
oder ob man in Zelten 
mich erwartet hat. 

Mein Vater war ein Gekränkter 
und kannte nur wenig Ruh. 
Er hörte mir mit verhängter 
Stirne nächtelang zu. 
Mir lag im Haar der Ring. 
Und ich sprach ganz nahe und sachte, 
daß die Mutter nicht erwachte, - 
die an dasselbe dachte, 
wenn sie, ganz weiß gelassen, 
vor abendlichen Massen 
durch dunkle Garten ging. 

*


... So wurden wir verträumte Geiger, 
die leise aus den Türen treten, 
um auszuschauen, eh sie beten, 
ob nicht ein Nachbar sie belauscht. 
Die erst, wenn alle sich zerstreuten, 
hinter dem letzten Abendläuten, 
die Lieder spielen, hinter denen 
(wie Wald im Wind hinter Fontänen) 
der dunkle Geigenkasten rauscht. 
Denn dann nur sind die Stimmen gut, 
wenn Schweigsamkeiten sie begleiten, 
wenn hinter dem Gespräch der Saiten 
Geräusche bleiben wie von Blut; 
und bang und sinnlos sind die Zeiten, 
wenn hinter ihren Eitelkeiten 
nicht etwas waltet, welches ruht. 

Geduld: es kreist der leise Zeiger, 
und was verheißen ward, wird sein: 
Wir sind die Flüstrer vor dem Schweiger, 
wir sind die Wiesen vor dem Hain; 
in ihnen geht noch dunkles Summen - 
(viel Stimmen sind und doch kein Chor) 
und sie bereiten auf die stummen 
tiefen heiligen Haine vor... 


Aus: Das Buch der Bilder








*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM.Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.


Mobile Seite:
Rainer Maria Rilke











Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Gedichte & Kunst ....

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Kenneth Frazier, Woman with a Rose. 1891-1892.
Der Duft

Wer bist du, Unbegreiflicher: Du Geist,
wie weißt du mich von wo und wann zu finden, 
der du das Innere (wie ein Erblinden) 
so innig machst, daß es sich schließt und kreist. 
Der Liebende, der eine an sich reißt, 
hat sie nicht nah; nur du allein bist Nähe. 
Wen hast du nicht durchtränkt als ob du jähe 
die Farbe seiner Augen seist.

Ach, wer Musik in einem Spiegel sähe, 

der sähe dich und wüßte, wie du heißst.



*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926





QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

SANTA MARIA A CETRELLA

$
0
0

Rainer Maria Rilke





Santa Maria A Cetrella, Annacapri, von William Stanley Haseltine, ca. 1892




SANTA MARIA A CETRELLA

I

Die Kirche ist zu, und mir ist es geschieht 
nichts mehr für dich. Bist du drin? 
Der dich liebte, dein Eremit, 
ging die Zeit mit ihm hin,
liebe Marie a Cetrella. 

Er war nicht mehr da, und sie schlossen dich ein
mit dem Schwarz ohne Licht in dein Haus; 
und ich bin so wie du so allein, so allein 
und ich rufe dich leise heraus:
Liebe Marie a Cetrella.

Weißt du denn noch von dem Lorbeerbaum, 
den er dir im Garten gepflegt; 
er steht noch da, jeder Blättersaum 
wellend wie windbewegt -
liebe Marie a Cetrella -

sieh: Wie bewegt von dem Frühlingswind 
der mitnimmt (gedenkst du wie -)
und ahnst du, wie warm die Kräuter sind: 
Sie duften als hülfen sie.
Liebe Marie a Cetrella.

II

Diese Tage schwanken noch. Das Helle
kann sich manchmal wie verscheucht entziehn. 
Und ich bringe dir zu deiner Schwelle 
einen kleinen Zweig von Rosmarin;

sieh wie rührend blüht er. Aber wir
haben ihm so trüben Sinn gegeben, 
daß er uns mit seinem lieben Leben 
an den Tod erinnern muß. Auch dir

ist es schwer geworden, ahnungslos 
auszustrahlen deine klaren Gnaden, 
denn sie haben dir das Herz beladen
mit dem Schicksal, das aus deinem Schoß

unaufhaltsam aufwuchs, bis es nicht 
einem, deinem Sohne, mehr gehörte -: 
Denn das Angesicht, das er zerstörte, 
war viel älter als sein Angesicht.

III

Waren Schritte in dem Heiligtume? 
Kannst du näher kommen? Bist du nicht 
in dein Bild gebunden, wie die Blume,
die nur kommen kann, wenn man sie bricht.

O dann komm bis an die Türe innen 
wenn du auch zu öffnen nicht vermagst, 
und ich will mein Herz von vorn beginnen 
und nichts andres sein als was du sagst.

Denk wir haben es ja schon so schwer, 
dich zu fühlen ohne dich zu schauen. 
Uns verwirrten alle diese Frauen 
die wir liebten, ohne daß sie mehr

als ein Kommen und Vorüberschreiten 
uns gewährten. Sag, wer waren sie? 
Warum bleibt uns keine je zuseiten 
und wo gehn sie alle hin, Marie?

IV

Täglich auf weiten Wegen 
geh ich zu dir (mit Recht): 
Verschlossen und entlegen 
bist du diesem Geschlecht;

du, die einmal inmitten
aller errichtet war;
von zu dir wollenden Schritten 
widerhallte das ganze Jahr.

Jetzt ist mein Schritt der eine 
und klingt an das stille Ziel. 
Ich bin eine kleine Gemeine. 
Du bist für mich zu viel.

Ich möchte dir entgegen 
halten was rings entsteht 
wie einem Frühlingsregen 
vor dem ein Schatten geht.

V

Der dich liebte, mit verlegner Pflege 
dich umgebend, weißt du noch: Ging er 
nicht mit dir auf diesem Mittelwege 
mittags manchmal langsam hin und her?

Immer an derselben Stelle wendend, 
(eine Hand für seine Kranke frei)
fragend, ob der Himmel nicht zu blendend 
und die Erde nicht zu steinig sei;

unruhig, wenn er einmal dich verließ
bang gebückt zu seinen neuen Pflanzen, - 
während Du - vergangen in dem Ganzen - 
ohne Sorge warst um alles dies.

VI

Wie eins von den äußersten Kräutern 
das weit im Gestein noch gedeiht: 
So blühte dein Lächeln und Läutern 
weiter, ganz oben im Leid.

In der letzten Leiden 
Schrecken und ewigem Schnee. 
Wie dürften wir unterscheiden 
zwischen Gewährung und Weh

seit du nicht wußtest, wo eines, 
wo das andre begann. 
Unabwendbar wie Ungemeines 
fingen sie beide an;

und wie Übergroßes 
gingen sie beide aus, 
über deines Schoßes 
Dunkelheit hinaus.

VII

O wie bist du jung in diesem Lande; 
Kinder nicken dir vertraulich zu,
und ein Lied von Hirten ist imstande, 
Ewige, die älter sind als du, 
herzurufen zwischen ihre Ziegen; 
oder jene Männer rufen sie
während sie die Weingewinde biegen: 
Einer viel zu großen Melodie 
Stücke abgebrochen in sich findend,
um sie dann (im Weinberg weiterbindend) 
hinzuschreien wie ein Tier das schrie -.

Und da hörst du draußen Schrei um Schrei 
steigen, wo die Wege sich verlieren 
und an deinem kleinen Haus vorbei. 
Und dein Herz wird bange vor den ihren,

wie du so im spanischen Gewande
an der Türe stehst: Mit Schmuck behangen 
und bereit, aus diesem fremden Lande 

fortzugehn, sobald sie es vestehen





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926

Kunst & Gedichte.


. Rilke on Capri - by Arne Mellberg, Professor of Literature, University of Oslo.






QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Sonett

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Ferdinand Hodler, Adoration III, Anbetung.


O das Neue, Freunde, ist nicht dies, 
dass Maschinen uns die Hand verdrängen. 
Lasst euch nicht beirrn von Übergängen, 
bald wird schweigen, wer das "Neue" pries. 

Denn das Ganze ist unendlich neuer, 
als ein Kabel und ein hohes Haus. 
Seht die Sterne sind ein altes Feuer, 
und die neuern Feuer löschen aus. 

Glaubt nicht, dass die längsten Transmissionen 
schon des Künftigen Räder drehn. 
Denn Aeonen reden mit Aeonen. 

Mehr, als wir erfuhren, ist geschehen. 
Und die Zukunft fasst das Allerfernste 
rein in eins mit unserm innern Ernste. 

Aus: Die Gedichte 1922-1926 (1922)





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Info | Internationale Rilke Gesellschaft : Rilkes Florenz

$
0
0

Rainer Maria Rilke



Blick auf Santa Maria del Fiore, Florenz

Rilkes Florenz
“Rilkes Florenz” lautet der Titel der diesjährigen Tagung, 
die vom 24. bis zum 28. September 
in der Forresteria Valdese stattfinden wird.



Die Tagung der Rilke-Gesellschaft 2014 wird vom Mittwoch, den 24. September bis Sonntag, den 28. September 2014 
in Florenz stattfinden. Organisatorisches: Link


Karte von der Örtlichkeit bei GoogleMaps


INTERNATIONALE RILKE GESELLSCHAFT:

. Internationale Rilke Gesellschaft


. bei Facebook

. bei Twitter

. bei Google+


*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

L’Attente ....

$
0
0

Rainer Maria Rilke



Felix Vallotton, das Warten


L’Attente

C’est la vie au ralenti,
c’est le cœur à rebours,
c’est une espérance et demie:
trop et trop peu à son tour.
C’est le train qui s’arrête en plein
chemin sans nulle station
et on entend le grillon
et on contemple en vain
penché à la portière,
d’un vent que l’on sent, agités
les prés fleuris, les prés
que l’arrêt rend imaginaires.


Versuch einer Übersetzung




Das Warten 

Dies ist das Leben in Verlangsamung, dies ist das Herz in 
Umkehrung, dies ist eine Hoffnung und eine halbe: abwechselnd 
zu viel und zu wenig. 

Dies ist der Zug, der mitten auf der Strecke anhält ohne 
jede Station, und man hört die Grille und man betrachtet 
vergebens, 

aus der Wagentür gebeugt, die von einem Wind, den man 
spürt, bewegten Blumenwiesen, die Wiesen, die der Halt 
imaginär macht. 





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Rainer Maria Rilke

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Egon Schiele, Sonnenuntergang, 1913


Empfange nun von manchem Zweig ein Winken, 
als sei`s ein Grüssen oder Wiedersehn; 
und, wie die Schalen, draus die Vögel trinken, 
lass selbst den Regen spiegelnd in dir stehn. 

Nichts geht verloren, alles giebt sich weiter. 
Wer es im Innersten begreift der steigt, 
und oben ist das Ende seiner Leiter 
ans Gleichgesinnte sicher angeneigt. 

Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 
Bad Ragaz, Mitte Juli 1924.







*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Nächtlicher Gang

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Felix Vallotton,  aufklärender Mond




Nichts ist vergleichbar. Denn was ist nicht ganz 
mit sich allein und was je auszusagen; 
wir nennen nichts, wir dürfen nur ertragen
und uns verständigen, daß da ein Glanz
und dort ein Blick vielleicht uns so gestreift 
als wäre grade das darin gelebt 
was unser Leben ist. Wer widerstrebt
dem wird nicht Welt. Und wer zuviel begreift 
dem geht das Ewige vorbei. Zuweilen 
in solchen großen Nächten sind wir wie 
außer Gefahr, in gleichen leichten Teilen 
den Sternen ausgeteilt. Wie drängen sie.




*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Der Tod - Gedichte von Rainer Maria Rilke

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Der Tod-Herrscher der Welt

Der Tod

Da steht der Tod, ein bläulicher Absud
in einer Tasse ohne Untersatz.
Ein wunderlicher Platz für eine Tasse:
Steht auf dem Rücken einer Hand. Ganz gut
erkennt man noch an dem glasierten Schwung
den Bruch des Henkels. Staubig. Und: "Hoffnung"
an ihrem Bug in aufgebrauchter Schrift.

Das hat der Trinker, den der Trank betrifft,
bei einem fernen Frühstück abgelesen.

Was sind denn das für Wesen,
die man zuletzt wegschrecken muß mit Gift?

Blieben sie sonst? Sind sie denn hier vernarrt
in dieses Essen voller Hindernis?
Man muß ihnen die harte Gegenwart
ausnehmen, wie ein künstliches Gebiß.
Dann lallen sie. Gelall, Gelall . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O Sternenfall,
von einer Brücke einmal eingesehn -:
Dich nicht vergessen. Stehn!






*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926




QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

WIR SIND NUR MUND ....

$
0
0

Rainer Maria Rilke







 Wir sind nur Mund

Wir sind nur Mund. Wer singt das ferne Herz, 
das heil inmitten aller Dinge weilt? 
Sein grosser Schlag ist in uns eingeteilt 
in kleine Schläge. Und sein grosser Schmerz 
ist, wie sein grosser Jubel, uns zu gross. 
So reissen wir uns immer wieder los 
und sind nur Mund. 

Aber auf einmal bricht 
der grosse Herzschlag heimlich in uns ein, 
so dass wir schrein —, 

und sind dann Wesen, Wandlung und Gesicht.




*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Valagin

$
0
0

Rainer Maria Rilke



W. Tropinin, Klöpplerin. 1823


Valangin

Die vier Kissen der vier Klöpplerinnen 
waren kreuzweis dicht herangeschoben 
an die kleine Stufe mit den Globen; 
hinter den vier Wasserkugeln, innen, 
stand das Licht.

Licht, für immer nun dahingeschienen ... 
Sah es manchmal einer von den Knaben, 
wie es sie verklärte? - Mag es ihnen 
jenes Händewerk entwirklicht haben 
und das zugeneigte Angesicht.

Wer da eintrat, meinte er nicht, unter 
lauter nicht mehr Wirklichen zu sein? 
Draußen war sogar das Dunkel bunter, - 
hier war nichts als Schein und Widerschein 
von dem reinen Unterwasser-Licht.

Ach, wie ging er in die Spitzen über, 
dieser Schimmer, der sich einbezog. 
Wenn sich eins der Mädchen vorwärtsbog, 
war er manchmal so bewegt, als hüb er 
selbst ein namenloses Angesicht.

Wie der Wasserball sein Licht empfing 
und es unbeschreiblich so verteilte,
daß man nicht mehr wußte, ob es weilte 
oder abschiednehmender verging -, 
dieses beinah innerliche Licht.

Fast wie Licht in einem lichten Leben,
fast wie schon vom Glück verbrauchtes Licht, 
so verschenkt, so sinnlos hingegeben 
und so nah schon wieder am Verzicht: 
Licht für Spitzen. Klöppellicht.





*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926


Aus: Gedichte, Nachlaß, Widmungen, Valagin


QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Für eine Freundin ....

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Paula Moderson Becker ©


Paula Moderson Becker.
8. Februar 1876 bis 20. November 1907


Requiem für Paula Modersohn Becker

Für eine Freundin.
Geschrieben am 31. Oktober, 1. und 2. November 1908 in Paris

Ich habe Tote, und ich ließ sie hin
und war erstaunt, sie so getrost zu sehn,
so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht,
so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst
zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst
an etwas stoßen, dass es klingt von dir
und dich verrät. O nimm mir nicht, was ich
langsam erlern. Ich habe recht; du irrst
wenn du gerührt zu irgend einem Ding
ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um;
es ist nicht hier, wir spiegeln es herein
aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.

Ich glaubte dich viel weiter. Mich verwirrts,
dass du gerade irrst und kommst, die mehr
verwandelt hat als irgend eine Frau.
Dass wir erschraken, da du starbst, nein, dass
dein starker Tod uns dunkel unterbrach,
das Bisdahin abreißend vom Seither:
das geht uns an; das einzuordnen wird
die Arbeit sein, die wir mit allem tun.
Doch dass du selbst erschrakst und auch noch jetzt
den Schrecken hast, wo Schrecken nicht mehr gilt;
dass du von deiner Ewigkeit ein Stück
verlierst und hier hereintrittst, Freundin, hier,
wo alles noch nicht ist; dass du zerstreut,
zum ersten Mal im All zerstreut und halb,
den Aufgang der unendlichen Naturen
nicht so ergriffst wie hier ein jedes Ding;
dass aus dem Kreislauf, der dich schon empfing,
die stumme Schwerkraft irgend einer Unruh
dich niederzieht zur abgezählten Zeit -:
dies weckt mich nachts oft wie ein Dieb, der einbricht.
Und dürft ich sagen, dass du nur geruhst,
dass du aus Großmut kommst, aus Überfülle,
weil du so sicher bist, so in dir selbst,
dass du herumgehst wie ein Kind, nicht bange
vor Örtern, wo man einem etwas tut -:
doch nein: du bittest. Dieses geht mir so
bis ins Gebein und querrt wie eine Säge.
Ein Vorwurf, den du trügest als Gespenst,
nachtrügest mir, wenn ich mich nachts zurückzieh
in meine Lunge, in die Eingeweide,
in meines Herzens letzte ärmste Kammer, -
ein solcher Vorwurf wäre nicht so grausam,
wie dieses Bitten ist. Was bittest du?

Sag, soll ich reisen? Hast du irgendwo
ein Ding zurückgelassen, das sich quält
und das dir nachwill? Soll ich in ein Land,
das du nicht sahst, obwohl es dir verwandt
war wie die andre Hälfte deiner Sinne?

Ich will auf seinen Flüssen fahren, will
an Land gehn und nach alten Sitten fragen,
will mit den Frauen in den Türen sprechen
und zusehn, wenn sie ihre Kinder rufen.
Ich will mir merken, wie sie dort die Landschaft
umnehmen draußen bei der alten Arbeit
der Wiesen und der Felder; will begehren,
vor ihren König hingeführt zu sein,
und will die Priester durch Bestechung reizen,
dass sie mich legen vor das stärkste Standbild
und fortgehn und die Tempeltore schließen.
Dann aber will ich, wenn ich vieles weiß,
einfach die Tiere anschaun, dass ein Etwas
von ihrer Wendung mir in die Gelenke
herübergleitet; will ein kurzes Dasein
in ihren Augen haben, die mich halten
und langsam lassen, ruhig, ohne Urteil.
Ich will mir von den Gärtnern viele Blumen
hersagen lassen, dass ich in den Scherben
der schönen Eigennamen einen Rest
herüberbringe von den hundert Düften.
Und Früchte will ich kaufen, Früchte, drin
das Land noch einmal ist, bis an den Himmel.

Denn Das verstandest du: die vollen Früchte.
Die legtest du auf Schalen vor dich hin
und wogst mit Farben ihre Schwere auf.
Und so wie Früchte sahst du auch die Fraun
und sahst die Kinder so, von innen her
getrieben in die Formen ihres Daseins.
Und sahst dich selbst zuletzt wie eine Frucht,
nahmst dich heraus aus deinen Kleidern, trugst
dich vor den Spiegel, ließest dich hinein
bis auf dein Schauen; das blieb groß davor
und sagte nicht: das bin ich; nein: dies ist.
So ohne Neugier war zuletzt dein Schaun
und so besitzlos, von so wahrer Armut,
dass es dich selbst nicht mehr begehrte: heilig.

So will ich dich behalten, wie du dich
hinstelltest in den Spiegel, tief hinein
und fort von allem. Warum kommst du anders?
Was widerrufst du dich? Was willst du mir
einreden, dass in jenen Bernsteinkugeln
um deinen Hals noch etwas Schwere war
von jener Schwere, wie sie nie im Jenseits
beruhigter Bilder ist; was zeigst du mir
in deiner Haltung eine böse Ahnung;
was heißt dich die Konturen deines Leibes
auslegen wie die Linien einer Hand,
dass ich sie nicht mehr sehn kann ohne Schicksal?

Komm her ins Kerzenlicht. Ich bin nicht bang,
die Toten anzuschauen. Wenn sie kommen,
so haben sie ein Recht, in unserm Blick
sich aufzuhalten, wie die andern Dinge.

Komm her; wir wollen eine Weile still sein.
Sieh diese Rose an auf meinem Schreibtisch;
ist nicht das Licht um sie genau so zaghaft
wie über dir: sie dürfte auch nicht hier sein.
Im Garten draußen, unvermischt mit mir,
hatte sie bleiben müssen oder hingehn, -
nun währt sie so: was ist ihr mein Bewusstsein?


Erschrick nicht, wenn ich jetzt begreife, ach,
da steigt es in mir auf: ich kann nicht anders,
ich muss begreifen, und wenn ich dran stürbe.
Begreifen, dass du hier bist. Ich begreife.
Ganz wie ein Blinder rings ein Ding begreift,
fühl ich dein Los und weiß ihm keinen Namen.
Lass uns zusammen klagen, dass dich einer
aus deinem Spiegel nahm. Kannst du noch weinen?
Du kannst nicht. Deiner Tränen Kraft und Andrang
hast du verwandelt in dein reifes Anschaun
und warst dabei, jeglichen Saft in dir
so umzusetzen in ein starkes Dasein,
das steigt und kreist, im Gleichgewicht und blindlings.
Da riss ein Zufall dich, dein letzter Zufall
riss dich zurück aus deinem fernsten Fortschritt
in eine Welt zurück, wo Säfte wollen.
Riss dich nicht ganz; riss nur ein Stück zuerst,
doch als um dieses Stück von Tag zu Tag
die Wirklichkeit so zunahm, dass es schwer ward,
da brauchtest du dich ganz: da gingst du hin
und brachst in Brocken dich aus dem Gesetz
mühsam heraus, weil du dich brauchtest.
Da trugst du dich ab und grubst aus deines Herzens
nachtwarmem Erdreich die noch grünen Samen,
daraus dein Tod aufkeimen sollte: deiner,
dein eigner Tod zu deinem eignen Leben.
Und aßest sie, die Körner deines Todes,
wie alle andern, aßest seine Körner,
und hattest Nachgeschmack in dir von Süße,
die du nicht meintest, hattest süße Lippen,
du: die schon innen in den Sinnen süß war.

O lass uns klagen. Weißt du, wie dein Blut
aus einem Kreisen ohnegleichen zögernd
und ungern wiederkam, da du es abriefst?
Wie es verwirrt des Leibes kleinen Kreislauf
noch einmal aufnahm; wie es voller Misstraun
und Staunen eintrat in den Mutterkuchen
und von dem weiten Rückweg plötzlich müd war.
Du triebst es an, du stießest es nach vorn,
du zerrtest es zur Feuerstelle, wie
man eine Herde Tiere zerrt zum Opfer;
und wolltest noch, es sollte dabei froh sein.
Und du erzwangst es schließlich: es war froh
und lief herbei und gab sich hin. Dir schien,
weil du gewohnt warst an die andern Maße,
es wäre nur für eine Weile; aber
nun warst du in der Zeit, und Zeit ist lang.
Und Zeit geht hin, und Zeit nimmt zu, und Zeit
ist wie ein Rückfall einer langen Krankheit.

Wie war dein Leben kurz, wenn du's vergleichst
mit jenen Stunden, da du saßest und
die vielen Kräfte deiner vielen Zukunft
schweigend herabbogst zu dem neuen Kindkeim,
der wieder Schicksal war. O wehe Arbeit.
O Arbeit über alle Kraft. Du tatest
sie Tag für Tag, du schlepptest dich zu ihr
und zogst den schönen Einschlag aus dem Webstuhl
und brauchtest alle deine Fäden anders.
Und endlich hattest du noch Mut zum Fest.

Denn da's getan war, wolltest du belohnt sein,
wie Kinder, wenn sie bittersüßen Tee
getrunken haben, der vielleicht gesund macht.
So lohntest du dich: denn von jedem andern
warst du zu weit, auch jetzt noch; keiner hätte
ausdenken können, welcher Lohn dir wohltut.
Du wusstest es. Du saßest auf im Kindbett,
und vor dir stand ein Spiegel, der dir alles
ganz wiedergab. Nun war das alles Du
und ganz davor, und drinnen war nur Täuschung,
die schöne Täuschung jeder Frau, die gern
Schmuck umnimmt und das Haar kämmt und verändert.

So starbst du, wie die Frauen früher starben,
altmodisch starbst du in dem warmen Hause
den Tod der Wöchnerinnen, welche wieder
sich schließen wollen und es nicht mehr können,
weil jenes Dunkel, das sie mitgebaren,
noch einmal wiederkommt und drängt und eintritt.


Ob man nicht dennoch hätte Klagefrauen
auftreiben müssen? Weiber, welche weinen
für Geld, und die man so bezahlen kann,
dass sie die Nacht durch heulen, wenn es still wird.
Gebräuche her! wir haben nicht genug
Gebräuche. Alles geht und wird verredet.
So musst du kommen, tot, und hier mit mir
Klagen nachholen. Hörst du, dass ich klage?
Ich möchte meine Stimme wie ein Tuch
hinwerfen über deines Todes Scherben
und zerrn an ihr, bis sie in Fetzen geht,
und alles, was ich sage, müsste so
zerlumpt in dieser Stimme gehn und frieren;
blieb es beim Klagen. Doch jetzt klag ich an:
den Einen nicht, der dich aus dir zurückzog,
(ich find ihn nicht heraus, er ist wie alle)
doch alle klag ich in ihm an: den Mann.

Wenn irgendwo ein Kindgewesensein
tief in mir aufsteigt, das ich noch nicht kenne,
vielleicht das reinste Kindsein meiner Kindheit:
ich wills nicht wissen. Einen Engel will
ich daraus bilden ohne hinzusehn
und will ihn werfen in die erste Reihe
schreiender Engel, welche Gott erinnern.

Denn dieses Leiden dauert schon zu lang,
und keiner kanns; es ist zu schwer für uns,
das wirre Leiden von der falschen Liebe,
die, bauend auf Verjährung wie Gewohnheit,
ein Recht sich nennt und wuchert aus dem Unrecht.
Wo ist ein Mann, der Recht hat auf Besitz?
Wer kann besitzen, was sich selbst nicht hält,
was sich von Zeit zu Zeit nur selig auffängt
und wieder hinwirft wie ein Kind den Ball.
Sowenig wie der Feldherr eine Nike
festhalten kann am Vorderbug des Schiffes,
wenn das geheime Leichtsein ihrer Gottheit
sie plötzlich weghebt in den hellen Meerwind:
so wenig kann einer von uns die Frau
anrufen, die uns nicht mehr sieht und die
auf einem schmalen Streifen ihres Daseins
wie durch ein Wunder fortgeht, ohne Unfall:
er hätte denn Beruf und Lust zur Schuld.

Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist:
die Freiheit eines Lieben nicht vermehren
um alle Freiheit, die man in sich aufbringt.
Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies:
einander lassen; denn dass wir uns halten,
das fallt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.


Bist du noch da? In welcher Ecke bist du? -
Du hast so viel gewusst von alledem
und hast so viel gekonnt, da du so hingingst
für alles offen, wie ein Tag, der anbricht.
Die Frauen leiden: lieben heißt allein sein,
und Künstler ahnen manchmal in der Arbeit,
dass sie verwandeln müssen, wo sie lieben.
Beides begannst du; beides ist in Dem,
was jetzt ein Ruhm entstellt, der es dir fortnimmt.
Ach du warst weit von jedem Ruhm. Du warst
unscheinbar; hattest leise deine Schönheit
hineingenommen, wie man eine Fahne
einzieht am grauen Morgen eines Werktags,
und wolltest nichts, als eine lange Arbeit, -
die nicht getan ist: dennoch nicht getan.

Wenn du noch da bist, wenn in diesem Dunkel
noch eine Stelle ist, an der dein Geist
empfindlich mitschwingt auf den flachen Schallwelln,
die eine Stimme, einsam in der Nacht,
aufregt in eines hohen Zimmers Strömung:
So hör mich: Hilf mir. Sieh, wir gleiten so,
nicht wissend wann, zurück aus unserm Fortschritt
in irgendwas, was wir nicht meinen; drin
wir uns verfangen wie in einem Traum
und drin wir sterben, ohne zu erwachen.
Keiner ist weiter. Jedem, der sein Blut
hinaufhob in ein Werk, das lange wird,
kann es geschehen, dass ers nicht mehr hochhält
und dass es geht nach seiner Schwere, wertlos.
Denn irgendwo ist eine alte Feindschaft
zwischen dem Leben und der großen Arbeit.
Dass ich sie einseh und sie sage: hilf mir.

Komm nicht zurück. Wenn du's erträgst, so sei
tot bei den Toten. Tote sind beschäftigt.
Doch hilf mir so, dass es dich nicht zerstreut,
wie mir das Fernste manchmal hilft: in mir.


Rainer Maria Rilke

31.10.-2.11.1908, Paris
Requiem. Leipzig 1909.



Rainer Maria Rilke hat als einer der Wenigen die Größe und Eigenart von Paulas Kunstschaffen bereits zu ihrer Lebenszeit erkannt. Paulas Größe ist es, die Einfachheit darzustellen, die das menschliche Dasein in seiner Tiefe hat. Sie ist ähnlich wie van Gogh zu dieser Auffassung durchgestoßen und ihr treu geblieben. Der späte Rilke kommt ihr in diesem Kunstwillen sehr nahe. 



. Paula Moderson Becker - Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke bei Amazon


. *
Rainer Maria Rilke . 1875-1926


© Bilder George de Courtenay


QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!

Paula Moderson Becker und Rainer Maria Rilke ....

$
0
0

Rainer Maria Rilke




Rainer Maria Rilke, Portrait von Paula Moderson Becker. 1906


Eigentlich dachte ich ja immer dieses Rilke Portrait ist so etwas von unschön, das hatte die

Paula ja schon ganz anders machen können. Überhaupt wenn sie von den Kunstkennern mit zur Wegbereiterin des Impressionismus gemacht wurde. Falsch gedacht.

Habe unlängst einen Artikel bei Lirikline gelesen, dort steht darüber wörtlich unter dem Artikel Paula und Rainer.

Zitat:

"Paulas Größe ist es, die Einfachheit darzustellen, die das menschliche Dasein in seiner Tiefe hat. Sie ist ähnlich wie van Gogh zu dieser Auffassung durchgestoßen und ihr treu geblieben. Der späte Rilke kommt ihr in diesem Kunstwillen sehr nahe. 

Man wird von hier aus das 1906 gemalte Bildnis Rilkes besser verstehen. 


Rilkes Dichtung wollte nichts anderes, als die erhabene Einfachheit der Dinge darzustellen. Rilke ist ganz "Mund" für das wahre Dasein der Dinge. 

Er hat wie Paula alles Persönliche, Subjektive und Intellektuelle (nur dem Verstand Angehörende) aus seiner Kunst herausgehalten bzw. hinter sich gelassen. 

Das überzeugt und macht betroffen, bei Paula wie bei Rilke."

Den ganzen Artikel von © Dr. Johannes Heiner kann man hier bei Lyrikline unter dem Thema
Paula und Rainer lesen.


Paula und Rainer:
Einen weiteren Artikel bietet die Zeit: AlsRilke sich in Paula und Clara verliebte ....

Eine Lesung von Martin Heckmann: Paula und Rainer

Aber nicht nur malen konnte diese Paula!
Hier zwei kleine Gedichte:

Der Abend

Der Abend leget warme
hernieder seine Arme
und wo die Erde zu Ende
da ruhen seine Hände...
Die Mücklein summen leise
in ihrer hellen Weise
und alle Wesen beben
uns singen leis vom Leben...
Es ist nicht groß, es ist nicht breit,
s´ist eine kleine Spanne Zeit
und lange währt die Ewigkeit.

Paula Modersohn-Becker

An die Mutter

Doch nun zu dir, einzige Mutter.
Ich bin mit meinen Gedanken so oft bei dir.
Ich lerne dich mehr und mehr verstehen.
Ich ahne dich.
Wenn meine Gedanken bei dir sind,
dann ist es, als ob mein kleiner,
unruhiger Mensch sich an etwas Festern,
Unerschütterlichem festhält.
Das Schönste, aber ist, daß diese Feste,
Unerschütterliche so ein großes Herz hat.
Laß sir danken, liebe Mutter,
daß Du Dich so uns erhalten hast.
Laß dich ganz ruhig und lange umarmen.

Paula Modersohn-Becker




*
Rainer Maria Rilke . 1875-1926



QUOD VERUM TUTUM ▪ Maison Courtenay
Mehr von Rilke immer unter : Mit Rilke durch das Jahr.
Rainer Maria Rilke auch bei Google Currents und Google Kiosk!
Viewing all 751 articles
Browse latest View live